Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
Da wird er Männer brauchen, die tun, was getan werden muss. Sagt dem kaiserlichen Weichling das.«
    »Von all den vielen Arten, ein Bittsteller zu sein«, sagte Walthers Stimme hinter Judith, »habt Ihr gerade die allerdümmste versucht, Herr Botho. Ich ziehe seit einem Jahrzehnt von einem Hof zum anderen; ich habe eine Menge Methoden kennengelernt und darf behaupten, selbst ein paar erfunden zu haben. Trotzdem, ich muss Euch neidlos den Preis zugestehen – die Verbindung aus Dummheit, Unwissenheit und täppischer Grobheit mit Angstschweiß bei der Vorstellung, Verantwortung für die eigenen Taten übernehmen zu müssen, gewürzt mit einer Prise hochmütigem Verzichts auf Bildung, die war einfach unübertroffen.«
    Selbst im unruhigen Licht der Fackeln, die an den Wänden des Kreuzgangs steckten, war zu erkennen, wie sich Bothos Gesicht dunkel färbte. Sie blickte sich nach Dingen um, mit denen sie ihn niederschlagen konnte, falls er sich auf Walther stürzte, doch außer den Fackeln schien nichts Geeignetes vorhanden zu sein. Nun, Fackeln genügten angeblich, um Wölfe abzuhalten, und Botho hatte gerade etwas Wölfisches an sich, dachte Judith und machte einen Schritt näher zur Wand, um sich die Fackel greifen zu können.
    »Bischof Wolfger wünscht Euch zu sprechen«, fügte Walther nun hinzu. Durch Bothos Gestalt ging ein sichtbarer Ruck. Er schnaubte: »Wir sprechen uns noch«, doch ob er damit Judith oder Walther meinte, ließ er offen, während er davonstapfte.
    »Weißt du, was ich mir wünsche?«, fragte Judith, während sie ihm beide nachblickten. »Gerade jetzt, hier und heute? Dass wir diese gesamte Gesellschaft sich selbst überlassen, Patriarchen, Kaisersöhne und Mörder, und auf eigenen Wegen nach Salerno gehen.«
    »Ich bin dabei«, antwortete Walther sofort. Einen Moment lang fragte sie sich, ob es dann gerechtfertigt war, die Pferde zu behalten, die sie von Irene für die Reise bekommen hatten, und ob ihr Geld bis Salerno reichen würde. Doch dann erinnerte sie ihr Gewissen an mehr als die Pferde.
    »Ich habe Irene ein Versprechen gegeben«, sagte sie und seufzte. »Bis er in Salerno seinen Eingriff hinter sich hat, ist ihr Bruder mein Patient. Ich bin dafür verantwortlich, dass er dorthin gelangt, ohne dass seine Krankheit sich herumspricht. Das schließt es leider aus, sich vorher abzusetzen.«
    Walther hatte von ihr gelernt, wie man verspannte Schultern durchknetete, und auch zu erkennen, wann diese Hilfe benötigt wurde. Er trat hinter sie und begann, mit kreisenden, warmen Fingern ihre Muskeln zu lockern. »Hat der Erhabene dir denn Grund gegeben, dich absetzen zu wollen, oder liegt es nur an Botho?«
    »Alexios hat mir zu verstehen gegeben, er würde die jüdische Bevölkerung von Byzanz dafür büßen lassen, wenn der Starstich bei ihm Blindheit statt Klarsicht auslöst.«
    Kurz hielt Walther inne, dann spürte sie, wie seine Finger ihre wohltuende Arbeit wieder aufnahmen. »Er sitzt noch nicht auf dem Thron, und wenn er tatsächlich erblindet, dann wird er niemals dorthin gelangen. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
    Sie lehnte sich noch ein wenig stärker gegen ihn. »Ich mache mir Sorgen, weil er es überhaupt angedroht hat. Wenn Alexios gewillt scheint, dergleichen zu tun, sollte er dann auch nur über ein Dorf herrschen, frage ich dich? Das goldene Byzanz ist immer noch eines der größten Reiche auf Erden.«
    »Nun, es ist auch sehr weit weg, und ich kenne keinen einzigen Menschen dort. Zu dem wenigen, was ich über byzantinische Herrscher weiß, gehört, dass die letzten drei durch den Sturz ihres Vorgängers an die Macht gekommen sind, mit denen sie irgendwie verwandt waren. Es lässt mich sehr daran zweifeln, dass der derzeitige Kaiser besser ist als der Bruder der Königin. Selbst aber, wenn im Wagen neben dir ein Ungeheuer sitzt, dann bist du trotzdem nur für das verantwortlich, was du selbst tust. Ihn nach Salerno zu bringen und ihm einen guten Arzt für seine Augen zu verschaffen. Dafür! Nicht dafür, was für ein Herrscher er wird, und ob er überhaupt einer wird.«
    Es war eine leichtere Art, die Dinge zu betrachten; nicht zum ersten Mal beneidete sie ihn darum. Doch es verstörte sie auch. »Du hast Jahre damit verbracht, spöttische Lieder gegen den Papst und seine Einmischung in den Thronstreit zu schreiben«, sagte sie, »und du bist sicher der Grund, dass Philipp trotz des Banns keine nennenswerte Zahl an Anhängern verloren hat. Du weißt, dass ich glaube,

Weitere Kostenlose Bücher