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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Mannes im Reich und bei Hofe fortzusetzen, als sein Mütchen an einem Sänger zu kühlen und als ungesühnter, gebannter und gesetzesloser Mörder irgendwo außerhalb des Reichs Unterschlupf zu finden. Es bestand jedoch wahrlich kein Grund, ein Risiko einzugehen. Also hielt er sich ständig an Wolfgers Seite auf und gestattete sich nur ein, zwei Mal, zurückzuschauen, dorthin, wo eine zähneknirschende Gestalt auf ihrem Pferd saß. Immerhin musste Botho nicht zu Fuß gehen, aber er schien das härene Hemd, gewebt aus grobem, kratzigem Hanf und juckenden Tierhaaren, nicht gut zu vertragen.
    »Hatten Euer Gnaden das härene Hemd schon die ganze Zeit im Gepäck?«
    »Ich bin ein Diener Gottes«, sagte der Bischof mit undurchdringlicher Miene, was keine Antwort war, aber so ernst war es Walther mit seiner Frage auch nicht gewesen. Stattdessen sprach er mit Wolfger darüber, wie glaubwürdig es war, dass Gunther, seine Brüder und Hagen der Einladung von Kriemhild folgten und zu den Hunnen reisten, obwohl sie wissen mussten, dass sie ihnen den Tod von Siegfried nicht verziehen hatte.
    »Für wie rachsüchtig haltet Ihr eine Frau?«, fragte Wolfger prüfend. »Eine Frau, die den Mann verloren hat, den sie liebt? Wird sie sich nicht von angeborener Menschlichkeit zurückhalten lassen, von zarteren Gefühlen, vor allem, wenn ihre Rache sinnlos ist, da ihr Liebster ohnehin von ihr genommen wurde und nichts, was sie tut, ihn wieder ins Leben zurückbringen kann?«
    »Manchmal glaube ich, dass keiner von uns je eine Frau verstehen wird«, entgegnete Walther nur halb im Scherz.
    »Nun, mein letzter Versuch liegt lange zurück«, sagte Wolfger. »Im Reich der Vorstellungskraft herrschen zum Glück nicht unbedingt die gleichen Regeln. Doch es kommt mir darauf an, zu wissen, was ein Zuhörer für glaubwürdig befinden würde – ein Mann wie Ihr, Herr Walther, der mit Frauen Umgang pflegt.«
    »Euer Gnaden, der Grund, warum ich keine Heldenlieder schreibe, ist nicht zuletzt, dass ich für Frauen nicht länger als für die Dauer eines kurzen Liedes sprechen kann. Ihr dagegen schildert ganze Menschenleben. Aber nun … ich glaube, dass niemand erbitterter kämpft und schmerzhaftere Wunden schlagen kann als eine Frau, die ihr Liebstes verliert, ob Kinder oder Mann, und die nichts mehr zu verlieren hat.«
    »Ja«, sagte Wolfger und seufzte, »das fürchte ich auch.«

    Je näher sie Rom kamen, desto voller wurden nicht nur die Hospitäler, sondern auch die Klöster, in denen sie abstiegen. Walther teilte in der Regel ein Lager mit dem Schreiber, dem er gelegentlich beim Abschaben der Pergamente half. Außerdem nahm er sich die Freiheit, gelegentlich die Truhe mit Dokumenten zu durchstöbern, wenn Odokar schlief, doch falls Wolfger eine geheime Korrespondenz mit dem Papst führte, in der er ihm die baldige Auslieferung eines aufsässigen deutschen Singvogels versprach, dann gab es dafür keinen Hinweis. Was nicht hieß, dass es nicht ein paar höchst aufschlussreiche Briefe in jener Truhe gab: Offenbar stand Wolfger mit der reichen und mächtigen Familie der Andechs-Meranier in Verbindung, die einen der Ihren als nächsten Bischof von Bamberg sehen wollten. Dabei stand einer solchen Wahl nicht nur im Wege, dass Eckbert von einem wegen seiner Anhängerschaft für Philipp gebannten Bischof zum Diakon geweiht worden war, sondern auch, dass er keine dreißig Jahre zählte und damit das nach Kirchenrecht vorgeschriebene Mindestalter für einen Bischof noch nicht besaß. Dafür war sein Vater der Herzog von Kroatien und Dalmatien, einer seiner Schwäger der König von Ungarn und ein anderer der König von Frankreich. Sie alle, hieß es in dem Brief bedeutsam, würden dem Patriarchen von Aquileja höchst dankbar sein, wenn er sich beim Heiligen Vater für den jungen Eckbert einsetzte. Im Übrigen hatte die Familie schon früher Bamberger Bischöfe gestellt, ein neuer betagter Bischof wie der verstorbene Thiemo sei wahrlich keine gute Idee, und gerade der Heilige Vater sollte doch Sinn für junge Kleriker in hohen Ämtern haben.
    Allmächtiger, dachte Walther und wusste nicht, ob er belustigt oder abgestoßen war. Keines von beidem, entschied er; es konnte ihm gleichgültig sein, wer Bischof in Bamberg wurde, vorausgesetzt, dass es den Krieg nicht verlängerte.
    Der andere Brief, den Walther genauer ansah, stammte von Leopold von Österreich und war eine Beschwerde, weil er eine Forderung des englischen Königs nach Rückerstattung des

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