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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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tatsächlich konnte. Ein Teil von ihr bezweifelte, dass Gott ihre Stimme hörte, nicht nach allem, was sie bereits getan hatte, und der Art, wie sie weder als Jüdin noch als Christin lebte.
    Am Abend begleitete sie Alexios wie immer zu der Kammer, die man ihm in einem Hospital zur Verfügung gestellt hatte. Sie war inzwischen geschickt darin, ihm so den Arm zu reichen und ihn zu führen, dass es aussah, als würde er ihr einen Gefallen tun.
    Der Byzantiner hatte inzwischen Vertrauen zu ihr gefasst und wartete statt mit Drohungen, was er täte, wenn der Eingriff in Salerno nicht glückte, mit Versprechungen auf. »Wir haben eine der besten Bibliotheken der Welt in Byzanz«, hatte er zu Judith gesagt. »Und gewiss alle Werke des Maimonides. Wir haben sogar ein paar Bücher direkt aus Alexandria. Wenn ich erst fest auf meinem Thron sitze, Magistra, und die Welt erneut mit klarem Blick sehe, dann sei es jenem Arzt, der den Eingriff tut, und Euch gestattet, sich eines der Bücher zu wählen.« Walther neckte Judith damit, dass die Aussicht auf ein medizinisches Buch aus Alexandria, natürlich von jenem Mosche ben Maimon, von dem sie immer so großes Aufheben machte, ihr den gleichen Gesichtsausdruck verschaffte, den sie hatte, wenn sie in seinen Armen lag, was sie entrüstet leugnete. Aber sie musste zugeben, dass es sie der Vorstellung von Alexios auf dem Thron etwas wärmer gegenüberstehen ließ, und gerade jetzt war sie ihm dankbar, als er sie mit einer Frage von ihren Grübeleien ablenkte: »Wisst Ihr eigentlich, dass man Euch für meine Geliebte hält?«
    Nicht noch ein Fürst, dachte sie und entgegnete, ein solches Gerücht hätte sich auch zu ihr herumgesprochen. Innerlich verwünschte sie Botho und alle schwatzhaften Männer.
    »Nun, für mich ist das eine Erleichterung. Es bedeutet, dass niemand meine Manneskraft bezweifelt. Es würde allerdings helfen, wenn Ihr des Nachts in meiner Kammer bliebt, nun, da Herr Walther nicht mehr bei uns weilt.«
    »Euer Gnaden …«
    »Es versteht sich von selbst«, sagte er mit einer mehr ängstlichen als herablassenden Miene, »dass nichts geschehen wird. Ich bin der Erbe der Caesaren, Ihr eine bekehrte Jüdin.«
    Sie verbiss sich die Bemerkung, die ihr als Erstes dazu auf der Zunge lag, und sagte stattdessen so sanftmütig wie möglich: »Dennoch würde ich nicht gerne den Anschein erwecken, dass ein so hoher Herr wie Ihr mit einer so niederen Person wie mir im Konkubinat lebt.«
    »Aber ich schlafe schlecht«, platzte er heraus. »Mit jedem Tag, der den Eingriff näher rücken lässt, immer schlechter. Ich dachte, Ihr könntet mir vielleicht helfen.«
    »Ich bereite Euch gerne einen Schlaftrunk, höchst erhabener Alexios.«
    Er zögerte, dann sagte er mit gesenkter Stimme: »Ihr braucht Euch wirklich keine Sorgen zu machen. Ich tue es nicht mit Frauen.«
    »Ich verstehe.« Der Gedanke an Gilles versetzte ihr einen Stich.
    »Oder mit Männern«, fügte er hastig hinzu. Das ließ sie stutzen. Sie hatte zwar von ein paar Fällen gehört und gelesen, in denen Menschen sich Krankheiten zuzogen, weil sie auf unnatürliche Weise mit Tieren verkehrten, aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass Alexios ihr so etwas anvertrauen wollte.
    »Mit überhaupt niemandem«, ergänzte er unglücklich. »Die ganze Angelegenheit ist mir zuwider, ganz offen gesprochen. Als ich zum Mann wurde, hat meine Mutter die teuerste Kurtisane von Byzanz dafür bezahlt, mich in die Kunst der Liebe einzuführen, und danach einen Lustknaben, aber mich hat beides nicht gereizt. Fangt erst gar nicht damit an, mir irgendwelche Mittel anzupreisen: Man hat mir jedes luststeigernde Pülverchen in den Wein gemischt, das es gibt. Wenn ich für etwas dankbar war in den Jahren meiner Gefangenschaft, dann dafür, dass endlich Schluss damit war. Niemand hat mehr von mir erwartet, ich müsste mich wie ein junger Hengst aufführen. Eine Zeitlang dachte ich sogar, ich wäre vielleicht zum Mönch berufen. Die sind ehelos, bei uns gerade so wie bei den Weströmern. Aber es reizt mich ganz und gar nicht, mich nicht zu waschen, eine Kutte zu tragen und tagaus, tagein nur Gebete zu rezitieren.« Er kniff seine verschwommen blickenden Augen noch mehr zusammen. »Das bleibt unter uns, versteht sich. Wenn man an meiner Männlichkeit zweifelt, dann wäre das fast noch schlimmer, als wenn sich herumspräche, wie schlecht ich sehe. Keiner will einen Mann auf dem Thron, der keine Kinder zeugen kann!«
    »Ich bin Eure Ärztin«, sagte

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