Das Spiel der Nachtigall
Verfügung stellt, oder wie man den Hund herunterhandeln kann? Nein. Dazu werdet Ihr Männer wie mich brauchen, also gewöhnt Euch beizeiten daran, dass hier manchmal ein rauher Ton herrscht. Ich habe fürs Leben genügend Herrschern die Stiefel geleckt – nun bin ich an der Reihe.«
In Gedanken stellte Judith eine schnelle Rechnung auf: Alexios wurde von Hugo und etwa zwanzig Bewaffneten begleitet, nicht mehr, weil sie so schneller vorankamen und weil Wolfger selbst eine Eskorte brauchte. Dazu kamen noch ein paar Knappen und Knechte, doch es waren weit weniger als die Truppe, die Diepold von Schweinspeunt in seiner Grafschaft befehligte und die hier keine Fremden waren.
Sie dachte daran, wie verwüstet sie Salerno einst vorgefunden hatte – und daran, dass Diepold von Schweinspeunt keinen Grund hatte, mit all seinen Männern hier aufzutauchen.
Alexios holte tief Luft, und sie legte ihm hastig eine Hand auf den Arm. »Herr Diepold, Eure Ratschläge sind so willkommen wie Ihr selbst. Zweifellos hat die gesamte Bevölkerung von Salerno bei Eurem Eintreffen auf der Straße gestanden, um Euch zuzujubeln, nicht wahr?«
»Was …«
»Man kennt und schätzt Herrn Diepold von Schweinspeunt in Salerno, ganz wie er es verdient hat«, sagte Judith zu Alexios. »Wenn Ihr, als der Erbe der Caesaren, der Bevölkerung von Salerno empfehlen würdet, sich zu rüsten, um Herrn Diepold die gebührende Ehre zu erweisen, dann würde kein Mann, kein Junge und kein Greis zögern.«
Schweinspeunt hieb mit der Faust auf den Tisch, der zwischen ihnen stand. »Wollt Ihr wohl das Maul halten, wenn Ihr nicht gefragt seid, Weib?«
Sie spürte, wie Alexios’ Arm unter ihren Fingern zitterte, ganz sachte, so dass man es nicht sehen konnte. Doch die Stimme des Kaisersohnes blieb ebenmäßig.
»Ihr dürft Euch entfernen, Herr Diepold.«
Ihre eigenen Finger blieben ruhig, aber sie biss sich beinahe auf die zitternde Zunge, während sich das Schweigen zwischen ihnen ausdehnte. Wie viel war sein verletzter Stolz Diepold von Schweinspeunt wert? Wie hoch schätzte er die Bereitschaft der Bevölkerung von Salerno ein, sich gegen ihn zu wenden? Und was hatte er zu gewinnen, wenn er sich dafür entschied, zu bleiben und Alexios weiter zu demütigen?
»Ihr werdet Euch noch wundern«, schnauzte Schweinspeunt sichtbar verärgert. »Wenn Euch die Venezianer auf der Nase herumtanzen, dann werdet Ihr noch darum betteln, dass ich Euch zur Seite stehe, Euer Gnaden!« Damit erhob er sich und verließ den Palas der alten Normannenfeste. Alexios atmete aus.
»Wenn ich erst Kaiser bin«, sagte er, »dann werde ich mir von Philipp die abgehackte Hand dieses Kerls schicken lassen.«
Wenn Ihr erst Kaiser seid, dann solltet Ihr andere Sorgen haben, dachte Judith, aber sie sprach es nicht aus.
Die Erste, die sie in Salerno besucht hatte, um ihr von Alexios’ Nöten zu berichten, war Francesca, doch die, so stellte sich heraus, war nicht mehr als Ärztin tätig, obwohl sie noch ein paar Vorlesungen hielt. »Es sind meine Hände«, sagte sie und streckte sie aus. Das leichte Zittern war unverkennbar. »Es ist das Alter – und doch muss ich dankbar sein, es erreicht zu haben.«
Francesca erzählte, dass Meir noch in Salerno lebte und inzwischen verheiratet war. Dies sei erst im letzten Jahr geschehen; so lange habe er gezögert, in der Hoffnung, dass Judith zurückkehren und die Vereinbarung ihrer Väter erfüllen würde. »Du hättest früher von dir hören lassen sollen«, sagte sie seufzend, »denn er hatte dich wirklich gerne, und es wird ihm nicht leichtfallen, dich als Konkubine eines Fürsten zurückkehren zu sehen.«
»Gibt es derzeit einen anderen Arzt in Salerno, der sich besonders gut auf die Behandlung von Augen versteht?«, fragte Judith, auf die letzte Aussage nicht eingehend.
»Keinen, der nicht an dem gleichen Leiden wie ich krankt«, erwiderte Francesca offen. »Und man braucht eine sichere Hand, um den Starstich durchzuführen.«
Also blieb ihr nichts anderes übrig, als in den sauren Apfel zu beißen und in dem Haus vorzusprechen, in dem Rabbi Eleasar mit seiner Familie lebte. Alexios hätte Meir auf die Feste befehlen können, aber nach all dem, was Judith gehört hatte, schuldete sie Meir und seinem Vater eine Erklärung. Auf dem Weg durch die vertrauten Gassen fand sie kaum noch Narben von der Brandschatzung durch Kaiser Heinrich; Salerno blühte, als hätte es die Zerstörung nie gegeben, und wenn Fremde sie ansprachen, dann waren es
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