Das Spiel der Nachtigall
etwas davon, wie sehr alle für den Frieden im Reich beteten und das Ihre tun müssten, um ihn endlich zu erreichen. »Leider herrschen Zustände wie beim Turmbau in Babel«, seufzte er, »weil jeder mit anderer Zunge redet und etwas anderes will. Wenn wir uns nur mehr verstehen könnten! Mein Bruder erzählt mir, dass Ihr vertraut mit König Philipps Hof seid?«
»So ist es, Euer Gnaden.«
»Und mit dem König? Mir sind ein paar Eurer Lieder über ihn bekannt, und ich muss gestehen, ich bin verwirrt. Manche preisen ihn als milden Herrscher, andere vergleichen ihn zu seinen Ungunsten mit dem heidnischen Saladin. Habt Ihr keine feste Meinung?«
»Wir stehen mitten im Leben, Euer Gnaden, und unsere Taten beeinflussen die Meinung, die andere Menschen von uns hegen. Solange wir also handeln, so lange können Meinungen sich ändern. Wenn der König wirklich den Frieden erreichen und halten kann, dann wird ihn keiner inniger preisen als ich.«
»Wohl gesprochen«, entgegnete Eckbert nach einem winzigen Zögern. »Im Frieden wird König Philipp wohl auch weniger Eisenerz benötigen als im Krieg«, fuhr er fort und blickte Walther forschend an, als müsse er wissen, von was die Rede war. Walther hatte zwar nicht die geringste Ahnung, aber seiner Erfahrung nach sollte man das hohe Herren nie erkennen lassen.
»In der Tat.«
»Und er wird Versprechungen erfüllen?«
Das war halb als Frage, halb als Feststellung ausgedrückt, und allmählich dämmerte es Walther, von was die Rede war. Immerhin verheiratete Philipp seine Nichte mit einem der Brüder des Bischofs, also mussten die Andechs-Meranier auf eine reiche Mitgift hoffen. Im Nordgau, das an die Ländereien des Fürstbischofs von Bamberg grenzte, gab es Eisenerz, und als Mitgift wäre so ein Landstrich sehr naheliegend.
»Der Landgraf von Thüringen«, warf Berthold von Andechs ein, »hat mir erzählt, dass nicht alle Versprechungen des Königs gehalten wurden. Und Ihr, wenn ich mich recht erinnere, habt etwas von Schneidern berichtet, welche durch die Kleider für Schönheit zu sorgen hatten, egal was darunter verborgen bleibt.«
Es war eine einfache Rechnung, die sich vor Walther auftat: Er konnte den beiden Andechs-Meraniern entweder versichern, dass Philipp ein Mann seines Wortes war, der ihrem Bruder gewiss sämtliche Gebiete übereignen würde, die sie sich vorstellten, oder er konnte das Gegenteil zum Ausdruck bringen. Dass er von Philipps Plänen so wenig wusste wie ein Bettler auf der Straße, tat nichts zur Sache. Sich wissend zu geben, war eines seiner leichtesten Unterfangen. Darin hatte er Übung. Wenn er für Philipp bürgte, dann würden sie ihn hier nun für einen treuen Stauferanhänger halten, nicht nur der Bischof, sondern auch sein Mundschenk, der gerade Wein nachgoss, die Magd, die neue gesalzene Fische auf Zinntellern auftischte, und all das Gesinde, mit dem er sich bereden wollte. Also würde er überhaupt nichts von dem erfahren, was sich für den Juni zusammenbraute, wenn die vor ihm sitzenden Andechs-Meranier etwas damit zu tun hatten. Also sagte Walther: »Ich glaube, der König ist vor allem ein vorsichtiger Mann, der seine Schafe erst zählt, wenn er sie in den Stall getrieben hat. Noch haben wir keinen Frieden, und Eisenerz ist für die Staufer nun einmal wichtig. Vor allem das im Nordgau.«
Die Brüder wechselten einen Blick. »Ich habe es dir gesagt, Eckbert«, murmelte Berthold.
»Es ist gut, Herr Walther. Ihr könnt für heute gehen.«
In der Küche waren die Mägde und Knechte, die Köche und Dienstmannen mehr als dankbar für einen deftigeren Vortrag und danach wie erwartet ausgesprochen redselig. Offenbar rechneten die Andechs-Meranier auf die Nordgau als Mitgift, und mit noch mehr. Sie waren bereits verärgert gewesen, dass Philipp statt einer Tochter nur seine Nichte zur Verfügung gestellt hatte. »Gut genug für den König von Ungarn, gut genug für den König von Frankreich, aber nicht gut genug für den König der Deutschen? Wofür hält der sich eigentlich? Ist noch nicht einmal Kaiser, außerdem gibt es noch einen König«, sagte der Mundschenk des Bischofs naserümpfend, der nicht aus Franken stammte, sondern als Familienbediensteter mit nach Bamberg gekommen war.
»Glaubt Ihr denn, die Familie wird die Hochzeit abbrechen?«
»Einer derer von Andechs steht immer zu seinem Wort«, sagte der Mundschenk. Eine der jüngeren Köchinnen erinnerte Walther ein wenig an die Schankwirtin seiner Jugend. Er machte ihr schöne
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