Das Spiel der Nachtigall
Augen, was dazu führte, dass er ein warmes Bett für die Nacht hatte und sie für ihn das versiegelte Empfehlungsschreiben Hermanns unter Wasserdampf öffnete, damit er es mit etwas neuem Siegellack unter dem alten Siegel später wieder verschließen konnte. Zu seiner Enttäuschung stand in dem Brief an den edlen Hans von Brabant nichts von Entführungsplänen oder Hermanns Absicht eines Seitenwechsels. Immerhin empfahl der Landgraf Walthers Dienste tatsächlich, doch er fügte auch hinzu, manche Vögel dürfe man nicht zu lange an einem Ort halten, vor allem keine Raubvögel mit ihren scharfen Schnäbeln, die manchmal eben allzu gierig seien.
Wer ist hier gierig, dachte Walther und las weiter, doch Hermann drückte ansonsten nur seine Hoffnung aus, dem Herzog von Brabant bald wieder zu begegnen, ob in Bamberg bei der Hochzeit oder beim nächsten Hoftag, wo auch immer dieser stattfinden würde. Falls sich hinter den Worten des Landgrafen ein zweiter Sinn verbarg, dann gründete er vermutlich auf Dingen, die nur ihm und dem Brabanter bekannt waren. Nun, vielleicht würde er in Brüssel mehr dazu erfahren können.
»Das wird viel, viel Arbeit werden mit der Hochzeit dieses Jahr«, seufzte die Köchin. »Nicht nur wegen der hohen Herren, die wir verköstigen müssen, sondern auch wegen all der Gaukler für die Festlichkeiten. Nichts für ungut«, fügte sie rasch hinzu. »Aber jedes Mal, wenn Gaukler und Spielleute bei Festen eingeladen sind, stopfen sie doppelt so viel wie die hohen Herren in sich hinein, weil sie sonst nicht so gutes Essen bekommen. Selbst die, bei denen gar nicht so viel zum Hineinstopfen vorhanden ist! Wir hatten einmal einen Zwerg hier und einen beinlosen Kerl, und glaubst du, die hätten weniger gewollt als der Spielmann, der doch gerade so groß war wie du? Nein. Beinahe die Haare vom Kopf haben die mir und Seiner Gnaden in der Küche abgeluchst, statt dankbar zu sein, dass die überhaupt etwas bekamen. Dabei war der Beinlose noch nicht einmal von hier. Hat kaum das Maul aufgemacht, und wenn er etwas sagte, dann hat er Französisch gequakt.«
Walther war in Gedanken noch immer dabei, zu versuchen, Hermanns Brief zu deuten; außerdem trommelte er mit seinen Fingerspitzen auf den Rücken und dem wohlgeformten Hintern der Köchin den Takt des Liedes, das ihm derzeit nicht gelingen wollte. Aber etwas von dem, was sie plapperte, riss ihn trotzdem aus seiner Grübelei und ließ ihn aufhorchen. »Sprichst du denn Französisch, dass du es unterscheiden kannst?«
»Der Herr Bischof hat manchmal welsche Gäste, wegen seiner Schwester. Und ungarische, wegen seiner anderen Schwester. Wir sind hier wirklich ein Hof von Welt! Das fränkische Rom sind wir, hat der Haushofmeister erst neulich gemeint.«
»Mit französischen Krüppeln als Unterhaltung seid ihr das ganz sicher«, gab Walther zurück. »Aber es wundert mich, dass die Königin von Frankreich einen als Boten schickt.«
Sie wälzte sich auf ihren Rücken, um ihm ihrerseits einen Klaps zu versetzen. »Der Krüppel war doch nicht ihr Bote, du Schelm. Den hat die Gauklergruppe, zu der er gehörte, sogar hier gekauft, bei uns in Bamberg.« Sie runzelte die Stirn. »Norbert der Zwerg und der beinlose Schill, so hießen die zwei Fresser. Ist jetzt schon ein paar Jahre her, aber so, wie die geschlungen haben, als hätte sie drei Tage lang niemand gefüttert, so sind sie mir im Gedächtnis geblieben.«
»Gilles?«
»Ist ein dummer Name für einen Krüppel, nicht wahr?«, fragte die Köchin. » Schill. Wie Schild.«
»Vielleicht war er nicht immer ein Krüppel«, sagte Walther tonlos und hörte nicht mehr, was sie antwortete, weil ihm schlecht wurde. Als er das letzte Bröckchen Fisch herausgewürgt hatte, warf ihn die Köchin in rechtschaffener Empörung ob seiner Undankbarkeit hinaus. Es kann nicht sein, sagte er sich immer wieder, doch in seinem Herzen wusste er nur zu gut, dass es so war.
Kapitel 39
M arkwart antwortete auf die Nachricht, Paul würde mit ihnen zu Otto reisen, mit der Frage, ob er dann zurück zu Weib und Kindern kehren könne.
»Nein. Als ich das letzte Mal mit meinem Vetter unterwegs war, wurde jemand ermordet, und mich hat er versucht zu entführen.«
»Ich verstehe Euch nicht.« Markwart seufzte. »Ich verstehe Euch wirklich nicht.«
»Das behauptet so mancher Mann von uns Frauen, Markwart.«
»Aber Ihr seid selbst für eine Frau unverständlich, Frau Jutta. Walther, der Euch geliebt und Jahre um Euch gelitten hat, lasst
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