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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Wärme des Badehauses Wasser und Schweißtropfen über ihre Haut rannen.
    »Du bist hier bei mir aufgetaucht, Onkel, und ich kann nicht glauben, dass es nur aus Neugier oder alter Zuneigung geschah. Wenn es nicht etwas gäbe, was ich für dich tun könnte, dann wärst du Markwart nicht gefolgt. Du hättest einen deiner Leute geschickt und nur versucht, herauszufinden, wo ich bin. Warum verrätst du mir nicht, was du dir von mir erhoffst, und ich sage dir, was du für mich tun kannst?«
    »Du könntest mich untersuchen«, sagte er. »Manchmal spüre ich es dieser Tage in meinen Knochen, wenn das Wetter umschlägt. Und jetzt, im Frühjahr, schwellen meine Augen wieder an. Ich muss niesen, ich habe rote Flecken, kurzum die alljährlichen Kümmernisse. Mich dünkt, eine gute Ärztin könnte mir da helfen.«
    Wenn ihr das etwas bewies, dann, dass er immer noch so gut im Fechten und Umgarnen mit Worten war wie eh und je. Er wusste, dass derjenige, der als Erster seine Absichten bekanntgab, in die schlechtere Position gedrängt wurde, und er hatte zu viel Übung, um selbst derjenige zu sein. Nun, sie hatte nicht vor, ihm die Wahrheit zu erzählen, aber sie hatte sich nun hoffentlich lange genug geziert, damit er ihr eine Lüge glaubte. Noch ein Hinauszögern vielleicht, und dann ihre Bitte. »Sag mir nicht, dass du vergessen hast, was ich dir empfohlen hatte, als ich noch unter deinem Dach lebte«, entgegnete sie und ließ eine Spur von Zuneigung in ihre Stimme fließen. »Jeden Tag ein halber Liter Joghurt mag für ärmere Männer schwer zu erhalten sein, aber du kannst es dir gewiss leisten, ihn dir in die Stadt bringen zu lassen. Das Gleiche gilt für Brennnesseln. Man braucht keine Ärztin zu sein, um einen heißen Brennnesseltrank zu brauen.«
    »Weißt du, Nichte, ich werde tatsächlich alt, denn ich hatte vergessen, dass es Brennnesseln waren. Ich dachte immer, es seien sanftere Kräuter gewesen, doch ich hätte es besser wissen müssen. Brennnesseln passen zu dir«, gab er zurück. In seiner Stimme lag Zuneigung und Neckerei zugleich. Sie fragte sich, wer von ihnen diesmal mit der Wahrheit log und wer mit einer Lüge eine Wahrheit ausdrückte.
    »Onkel, ich mache mir Sorgen um meine Zukunft«, sagte sie abrupt.
    »Hast du denn Grund dazu? Du bist die Leibärztin der Königin, und ich muss eingestehen, dass es für die Staufer derzeit besser aussieht als für die Welfen. Wenn wir hier in Köln nicht davon überzeugt wären, dann hätten wir nicht mit ihm verhandelt und uns ihm unterworfen. Immerhin haben wir von ihm Zollvorrechte und eine Bestätigung der Kölner Münze bekommen, und das Befestigungsrecht, so dass wir die Mauern erneuern dürfen, die er beschädigt hat. Alles in allem hätte es schlimmer kommen können. Du hast wohl auf den Richtigen gesetzt, Nichte.«
    Sie schlug die Augen nieder. »König Philipp«, sagte sie und versuchte, gleichzeitig beschämt und bitter zu klingen, »nimmt es mir übel, dass er durch mich den Mann verloren hat, der ihm überall die Herzen des Volkes gewann. Noch hängt die Königin an mir, aber es bedrückt sie, dass meinetwegen Unfrieden herrscht zwischen ihrem Gemahl und ihr. Ihren Kindern graut es vor dem armen Gilles; auch das bringt die Königin dazu, in ihrer Zuneigung für mich nachzulassen. Kurzum, ich fürchte sehr, dass meine Zeit bei Hofe höchstens noch ein Jahr dauern wird, nicht länger. Danach werde ich einen neuen Gönner suchen müssen, der bereit ist, auch Gilles zu versorgen, und das kann nicht als Ärztin in einer kleinen Stadt geschehen. Auch nach Salerno kann ich nicht mehr zurückkehren, nicht mit Gilles in seinem Zustand. Nur ein anderer Hof kommt in Frage.«
    Ihr Onkel schwieg und setzte sich auf der Steinbank, wo die Menschen sich nach dem Bad ausruhten, etwas gerader. Dann sagte er: »Du bittest nicht um einen Platz unter meinem Dach.«
    »Nein«, gab sie zurück.
    »Dann …«
    »Ich glaube nach wie vor, dass du dich seinerzeit getäuscht hast, Onkel, was die Geschichte von Xerxes und Esther betrifft. Dazu hätte Graf … König Otto in mich verliebt sein müssen, was nicht der Fall war. Aber es mag sein, dass er mir doch ein wenig gewogen ist, genug, um mir einen Platz als Ärztin an seinem Hof zu geben.«
    »Es ist Jahre her«, sagte Stefan, mit einem Mal hart klingend. »Wahrscheinlich hat er dich längst vergessen.«
    »Oder er will mir übel statt gut, wenn er sich erinnert«, gab sie sofort zurück. »Deswegen wärest du mir eine große Hilfe,

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