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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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erschrocken anstarrten, und zückte ein zweites Messer. »Ich hatte lange, lange Zeit, um solche Kunststücke zu üben. Ich weiß, dass ihr Kerle zu viel für mich seid, aber einen von euch kriege ich noch, also überlegt euch gut, wer der Frau folgt oder mich als Nächster angreift. Und du – lauf!«, sagte er wieder zu Judith.
    »Ich kann …«
    »Judith, es war ein gutes letztes Jahr«, sagte er in der Volgare, die ihnen beiden vertraut war, ohne seinen Blick von den Männern zu wenden. »Du und die Kinder, ihr habt es schön gemacht. Aber jedes Mal, wenn ich aufwache und weiß, was mir fehlt, ist es wieder die Hölle. Lass mich ein Mal noch etwas tun, auf das ich stolz sein kann, bevor ich sterbe, und lass es nicht umsonst sein. Lauf! «
    »Du bist der beste Mann, den ich je gekannt habe«, entgegnete sie mit erstickter Stimme, drehte sich um und sprang zur Tür. Sie rannte, ohne einen Moment innezuhalten, auf den Burghof, hin zu der Zugbrücke, die wegen des Festtags ständig herabgelassen war. Sie rannte, rannte, rannte an allen flirrenden Gestalten vorbei, die ihr hinterherbrüllten, und erreichte die andere Seite der Brücke, als die ersten Pfeile an ihr vorbeiflogen. Sie rannte nicht den Weg entlang, sondern durch das Stück Wald, wo ihr die eisentragenden Kriegsknechte nicht so leicht nachlaufen konnten, bis wieder ein Weg auftauchte. Sie fiel, stolperte, stürzte, rollte einen Teil der Strecke und kam endlich mit zerschürften Armen und Beinen bei den ersten Gärten an.
    Zwei Reiter, die den Berg in einer Geschwindigkeit hochgaloppierten, als hinge ihr Leben davon ab, zügelten vor ihr die Pferde, und obwohl ihr immer noch flirrende Punkte im Blickfeld tanzten, erkannte sie einen von ihnen sofort.
    »Judith«, sagte Walther; einen Moment lang lag die alte vertraute Zärtlichkeit in seiner Stimme, vermischt mit unglaublicher Erleichterung. Er atmete einmal tief aus. »Die Königin«, setzte er dann hinzu und klang feindselig, als überbringe er eine Herausforderung, »wird froh sein, Euch zu sehen, Magistra.«

Kapitel 41
    E s war Irene gelungen, mit ihren Kindern und ein paar Bediensteten in den Dom zu fliehen, wo dann auch die Leiche ihres Gemahls aufgebahrt wurde, in der Krypta, die bereits einen Papst und einem Kaiserpaar Obdach gab.
    »Ihr könnt ihn später nach Speyer überführen lassen«, sagte Bischof Eckbert und wich ihrem Blick aus, »wenn die Zeiten … andere sind.«
    Irene weigerte sich aus gutem Grund, den Dom zu verlassen. Sie wusste, dass sie Heinz von Kalden an ihrer Seite brauchte, doch der war mit dem königlichen Heer auf dem Weg nach Thüringen gewesen, wo Landgraf Hermann angeblich gegen unerwartet eingefallene Slawen Hilfe brauchte. Selbst bei einem seiner inzwischen legendären Gewaltritte würde der Reichshofmarschall einige Tage brauchen, bis er wieder in Bamberg war.
    Man brachte Kleidung und Essen und starrte dabei betreten auf Irene und ihre Kinder. Zunächst versuchte der Erzbischof noch, sie davon zu überzeugen, dass er und seine Familie nicht das mindeste mit dem Mord an Philipp zu tun hatten. »Der Wittelsbacher ist doch fast ein Verwandter«, sagte er verlegen, »nur deswegen hat mein Bruder ihm bei der Flucht geholfen. Blutspflicht, Ihr versteht.«
    »Ich verstehe nur allzu gut.«
    Seine Schwester, die Königin von Ungarn, versuchte es mit Beschwörungen von Frau zu Frau und Versprechen, sich wie eine Schwester um Irene in ihrer schweren Stunde zu kümmern, weil sie nicht wissen konnte, dass Judith sie belauscht hatte.
    »Ihr müsst auch an das Kleine denken, das in Euch wächst, Euer Gnaden.«
    »Das tue ich, Euer Gnaden.«
    Dann waren eines Tages alle Andechs-Meranier aus der Stadt verschwunden. Walther brachte die Nachricht, dass Bischof Eckbert und Dompropst Berthold es für angebracht hielten, ihre Schwester auf der weiten, gefährlichen Rückreise nach Ungarn zu begleiten, doch die Bamberger, die Irene tagaus, tagein im Dom beobachten konnten, glaubten kein Wort davon. Genauso wenig wie Heinz von Kalden, der am Abend des gleichen Tages eintraf, doch er brachte noch weitere Nachrichten. Der Bischof von Speyer, Philipps Kanzler, der dabei gewesen war, als der Wittelsbacher Philipp ermordete, hatte nicht nur dem Reichshofmarschall Nachricht gesandt, ehe er sich vorsichtshalber nach Würzburg zurückzog, sondern auch noch einem weiteren Mann.
    »Der Kanzler meint, dass wir uns mit dem Welfen zusammentun müssen«, sagte Heinz von Kalden offen zu Irene, »sofort und

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