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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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tötet!«
    »Wenn Irene den Dom erreicht, ist sie in Sicherheit, das weißt du, also lasse es nicht dazu kommen.«
    »Wir haben alles bedacht!«, protestierte ihr Bruder.
    »Nein«, sagte Gertrud aufgebracht, »ihr seid Dummköpfe, die ich bald als nutzlose Fresser an meinem Hof haben werde, weil ihr nirgendwo sonst in Sicherheit sein werdet. Sie ist schwanger, du Tor, und Heinz von Kalden wird gewiss nichts lieber tun, als jetzt schon darauf zu schwören, dass es ein Sohn wird, um die Anhänger der Staufer hinter ihr zu versammeln!«
    Bereits nach den ersten Worten war Judith klar, dass man sie auf gar keinen Fall entdecken durfte. Es ging um ihr Leben, aber auch um das von Irene und ihrer Kinder. Sie rührte sich nicht und atmete so flach wie möglich, während sie einen Finger auf ihre Lippen legte. Gilles verstand von alleine, was auf dem Spiel stand. Er hatte eine Hand noch auf dem Springer, um zu ziehen, und er hielt sie dort, ohne eine Regung, während Gertrud und ihr Bruder weiter darüber stritten, wie sie die Folgen eines Königsmordes zu handhaben hatten. Nach einiger Zeit, die ewig erschien, entfernten sich die Stimmen endlich. Judith sackte in sich zusammen. Ich muss Irene und die Mädchen warnen! Aber sie wusste nicht, wie sie aus der Burg kommen konnte, wer hier nun das Sagen hatte, wem sie noch trauen konnte, vor allem mit Gilles an ihrer Seite, der sich zwar über kürzere Strecken in seinem Wagen vorwärtsstoßen konnte, aber jede Unauffälligkeit unmöglich machte.
    »Les enfants«, sagte er, »die Kinder. Du musst gehen. Lass mich hier, mir wird nichts geschehen.«
    »Ich habe dich bereits einmal in Bamberg einem grauenhaften Schicksal überlassen, das werde ich nicht ein zweites Mal tun. Sie weiß nicht, dass wir sie gehört haben«, sagte Judith fieberhaft. »Daher hat sie auch keinen Grund, dich und mich zurückzuhalten. Welchen Wert haben wir für sie? Sie werden uns gegenüber noch nicht einmal zugeben, dass der König tot ist. Du wirst sehen, sie werden uns gehen lassen.«
    Sie wartete noch eine Weile, um ganz sicher zu sein, dass Gertrud weit genug vom Burggarten entfernt war, dann half sie Gilles in seinen Karren und fing mit schweißbedeckter Stirn an, ihn durch die Pforte zu ziehen, welche in den Gang führte, durch den man in den Garten kam. Um in den Innenhof und von dort aus zur Zugbrücke zu gelangen, würden sie Treppen steigen müssen, und dazu brauchten sie Hilfe. Schließlich fasste sie sich ein Herz und zog Gilles in die Wachstube, um ihre Bitte vorzubringen, als sei nichts geschehen. Zwei Ritter und ein paar Knechte waren dort. Einer der Ritter wies seinen Knecht an, ihr zur Hand zu gehen. Dann hielt er inne.
    »Wartet.« Er kniff die Augen zusammen und musterte sie. Wegen der Junihitze und weil sie im Garten mit Gilles allein gewesen war, hatte Judith ihre Haube abgelegt und war zu aufgewühlt gewesen, um daran zu denken, ihr Haar erneut zu bedecken. »Ihr seid die Rothaarige.«
    »Ich bin die Leibärztin der Königin«, sagte sie so gewichtig wie möglich.
    »Ja, richtig«, sagte er. »Das war die Geschichte auf der Reise von Wien nach Frankfurt. Aber der Sänger hat uns damals verraten, was Ihr wirklich seid: ein Bastard des alten Kaisers, mit dem roten Haar der Staufer!« Er fing an zu lachen. »Wenn das die Königin erfährt!« Es war klar, dass er nicht Irene meinte. Alle Männer erhoben sich.
    Judith erstarrte. Sie hoffte vergeblich, dass ihr etwas einfiel, eine erleuchtende Idee, etwas, das sie aus dieser Falle herausholen würde, aber wenn Gott noch auf ihrer Seite stand, hörte er ihr nicht mehr zu. Der Ritter vor ihr war für sie ein Unbekannter. Doch dann zerrten seine Worte etwas aus ihrem Gedächtnis: Walther hatte ihr erzählt, dass er außer den Trossknechten auch den Mördern ihres Vetters Salomon weisgemacht hatte, sie sei die uneheliche Tochter des Kaisers Rotbart, um sie davon abzuhalten, sie zu belästigen. Warum dem Mann diese alte Lüge ausgerechnet jetzt wieder einfiel, wusste sie nicht; schließlich hatte er sie seither so wenig wiedergesehen wie sie ihn. Aber er hatte sich erinnert, warum auch immer, und alles in ihr wurde starr im Bewusstsein, dass ihr Weg hier bereits zu Ende war.
    Dann pfiff etwas an ihr vorbei, einen Moment später sah sie, wie der Ritter mit verwundertem Blick zurückfiel, während Blut aus seinem Mund sickerte – und ein Messer in seiner Kehle stak!
    »Lauf!«, sagte Gilles, während die übrigen Männer in der Wachstube ihn

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