Das Spiel der Nachtigall
etwas mehr als einen Scherz zu machen. »Wenn wir Frauen uns nicht um euretwillen bekämpfen würden, dann gäbe es nichts mehr, was eure Herrschaft auf Dauer sichern könnte.«
» Teile und herrsche, so sagten die Römer. Aber weißt du, ich wollte nie herrschen, sondern nur teilen, und auch nicht tauschen mit einem Mann wie Philipp, obwohl der zumindest echte Liebe erlebt hat.« Während des letzten Satzes war der leichte Ton völlig aus seiner Stimme verschwunden. Sie schaute ihn an und wusste, dass er an dem rührte, worüber sie nie gesprochen hatten: den Bruch zwischen ihnen, die beidseitigen Täuschungen, die Gründe dafür, aber auch die Möglichkeit, sich zu vergeben.
»Auch ich wollte teilen«, sagte Judith leise. »Aber ich – es gab auch Dinge, die ich für mich behalten wollte. Und jetzt kann ich sie erst recht nicht mehr aufgeben.«
Seine Hand hatte sich von seiner Laute erhoben, und erst jetzt, als sie die letzten Worte ausgesprochen hatte, wurde ihr die Vertrautheit der Geste bewusst. Früher hatte das immer dazu geführt, dass er sich ihr Haar durch seine Finger gleiten ließ. Vielleicht hatte er es wieder tun wollen, anknüpfen an die Vertrautheit alter Tage, an die Neckereien, denen oft Zärtlichkeit und Leidenschaft gefolgt waren. Doch nun zog er seine Hand zurück; der Augenblick war vertan. Judith sagte nichts, doch sie biss sich vor Wut auf sich selbst in die Lippen, bis sie Blut schmeckte.
* * *
Hermann von Thüringen konnte nicht darüber klagen, wie ihn das Schicksal behandelt hatte. Sein letztes, waghalsigstes Spiel mit Hans von Brabant hatte ihn zwar nicht reicher gemacht, doch es hatte dafür gesorgt, dass ihm Philipp ein für alle Mal vom Halse blieb und Otto ihm dankbar für die sofortige Unterstützung und Ausrufung zum König war. Er hatte nicht die geringste Absicht, an dessen Krönung und dem Feldzug teilzunehmen, sondern wollte nun das Leben als Landgraf von Thüringen genießen. Es gab nur ein Haar in der Suppe: dass Ottos Kanzler ihm aus unerfindlichen Gründen nicht die Güter der geflohenen Andechs-Meraner übereignen wollte – dabei brauchten seine neuen Verwandten doch jemanden, der sich treusorgend um sie kümmerte.
»Wem wollt Ihr sie denn geben? Den Wittelsbachern, die selbst den Mörder gestellt haben?«
»Der Herzog von Bayern«, hatte der Kanzler unerschütterlich zurückgegeben, »hat uns glaubwürdig versichert, dass er mit den Taten seines Verwandten nichts zu tun hatte. Er hat Heinz von Kalden sogar den Aufenthaltsort des Mannes genannt.«
Nun hatte Hermann nicht Verbindungen geknüpft, Pläne geschmiedet und dabei durchaus Gefahr auf sich genommen, um ausgerechnet das Haus Wittelsbach reicher zu machen. Er tröstete sich damit, dass Otto wusste, wie schwach die Welfen im Süden noch waren, und so ein paar alte Stauferanhänger für sich gewinnen wollte, aber es wurmte ihn trotzdem. Als seine Tochter Jutta ihn daher auf dieses Kümmernis ansprach, war er nur zu gerne bereit, mit ihr darüber zu reden. Er bedauerte oft, Jutta an den Meißner verschwendet zu haben. Er hätte sie mit Philipp verheiraten sollen. Schwiegervater eines Königs, das wäre es gewesen, denn Jutta hatte seinen Verstand geerbt und die Fähigkeit, etwas aus Problemen zu machen. »Wer weiß«, sagte sie, »vielleicht kehrt Otto nicht mehr aus Sizilien zurück. Kaiser Heinrich hat das Sumpffieber dort schließlich auch den Garaus gemacht.«
Hermann schnaubte. »Der Welfe hat die Statur eines Ochsen, und die Gesundheit dazu. Den wirft nichts um.«
»Dann könnte es sein, dass er sehr alt wird. Und noch eingebildeter. Wenn er sich Kaiser über ein Reich von der Größe nennen kann, wie es einst Barbarossa besaß, dann erinnert er sich gewiss nur allzu schnell an diejenigen, mit denen er früher mühsam verhandeln musste, um sich überhaupt König nennen zu dürfen. Er wird dir abnehmen, was er dir zugestanden hat, Vater, wenn er sich als Kaiser des Erdkreises sicher weiß.«
Das war in der Tat eine Möglichkeit, die mit jeder Erfolgsmeldung aus dem Süden wahrscheinlicher wurde, und sie schmeckte Hermann überhaupt nicht. Andererseits kannte er seine Tochter. Sie würde dergleichen nie erwähnen, nur um mit ihm klagen zu können. »Was hast du im Sinn, Jutta?«
»Eine Reise«, erwiderte sie lächelnd. »Wie lange ist es schon her, seit du deinen Ziehbruder in Paris besucht hast?«
Hermann mochte nicht mehr der Jüngste sein, doch sein Verstand arbeitete ungebrochen und schnell. Er
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