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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Dingen, die sie behalten wollte. Es war nicht einfach, weil dumme Kleinigkeiten wie der Umstand, dass seine Hemden noch nach ihm rochen, sie zum Weinen brachten. Ein Mittel gegen Tränen, dachte Judith, ist das Nächste, das unbedingt von Ärzten entdeckt werden musste. Bisher gibt es nur Mittel, die Tränen auslösen. Warum hat niemand nach dem Gegenteil geforscht?
    Jemand klopfte an ihre Tür. Sie kannte nur einen der beiden Männer, den Boten des Spitalvorstehers. Der andere war ein Fremder, der Schwert und Kettenhemd trug. Sie erkannte das Wappen: Es war ein Kriegsknecht der Staufer. Gemessen daran, was geschehen war, als Heinrich von Hohenstaufen die Stadt das letzte Mal betreten hatte, wunderte es sie nicht, dass bei den Leuten, die in der Straße standen und zu ihnen blickten, eisiges Schweigen herrschte.
    »Ihr seid«, sagte der Mann auf Deutsch und mit eindeutig schwäbischem Akzent, »die Magistra Jutta von Köln?«
    Sie nickte. Jutta war für jedermann in Salerno leichter auszusprechen, und, wie sie sich selbst nur selten eingestand, es war kein jüdischer Name, was ihr bei neuen Patienten oft Fragen ersparte und somit eine schnellere Behandlung ermöglichte.
    »Dann kommt bitte mit mir.«
    »Worum geht es?«, fragte sie und versuchte, nicht an Salvaggia zu denken.
    »Sie wollen eine Magistra. Eine Frau«, sagte der Spitalbote. »Und es muss eine Deutsche sein. Ihr seid die Einzige.«
    »Wer verlangt nach mir?«, fragte Judith auf Deutsch. Erst da wurde ihr bewusst, dass sie ihre Sprache seit fast zwei Jahren nicht mehr gesprochen hatte, weil ihr Vater, um ihr dabei zu helfen, in der Volgare und dem Arabischen flüssiger zu werden, nur diese Sprachen verwendet hatte.
    »Mein Herr Diepold von Schweinspeunt.« Er musterte sie misstrauisch. »Ihr seid wirklich eine Ärztin?«
    Sie hätte ihm die Urkunde zeigen können, die man ihr gegeben hatte, auf kostbarem Pergament, aber das war ihr die Sache nicht wert. »Ja«, sagte sie knapp. »Was fehlt Eurem Herrn?«
    Der Mann im Kettenhemd schnaubte verächtlich, als sei die Unterstellung, dem edlen Herrn von Schweinspeunt könne es je an etwas mangeln, wofür er die Hilfe einer Magistra benötigte, völlig lächerlich. »Es fehlt ihm gar nichts. Aber er hat die Aufgabe, die Prinzessin von Byzanz über die Alpen zum Herzog Philipp zu bringen, und die schreit vor Schmerzen. Ihre Weiber meinen, ihr müsste der Bauch aufgeschnitten werden. Wenn sie stirbt, während Ihr zögert, dann habt Ihr den Tod der Schwägerin des Kaisers zu verantworten, also würde ich mich an Eurer Stelle beeilen.«

    Auf dem Weg zum Kastell, wo früher die Normannenherrscher residiert hatten, erfuhr Judith mehr. Irene von Byzanz war die Tochter des oströmischen Kaisers, die vor ein paar Jahren mit dem älteren Sohn Tankreds von Sizilien verheiratet worden war. Die Ehe dauerte nur knapp ein Jahr, weil zuerst ihr Gatte und dann auch Tankred starben; danach eroberte – und erheiratete – Kaiser Heinrich das Königreich. Er hatte Tankreds jüngeren Sohn kastrieren und blenden und den gesamten männlichen normannischen Adel am Tag der Geburt seines Sohnes ermorden lassen, doch die Prinzessin Irene war als Tochter eines Kaisers ein zu gutes Pfand, um entweder ebenfalls getötet oder zurück zu ihrem Vater geschickt zu werden. Kaiser Heinrich verlobte sie mit seinem jüngsten Bruder Philipp und hätte sie wohl sofort nach Schwaben bringen lassen, wenn nicht ihr Vater, Kaiser Isaak Angelos, gerade von seinem eigenen Bruder gestürzt worden wäre.
    »Da wusste der Kaiser nicht, ob diese Ehe sich noch für das Haus Hohenstaufen lohnt«, sagte Schweinspeunts Dienstmann sachlich. »Aber jetzt hat er Nachricht erhalten, dass der alte Isaak Angelos noch am Leben ist. Geblendet und im Kerker, aber noch am Leben. Und der Kreuzzug steht an. Mein Herr sagt, dass es sehr wohl sein mag, dass wir nicht direkt ins Heilige Land ziehen, sondern zuerst nach Byzanz.«
    Es war nicht schwer zu verstehen, worauf das hinauslaufen konnte: Das gesamte oströmische Reich als Mitgift seiner Schwägerin zu beanspruchen, war zwar etwas abwegig, entsprach jedoch durchaus dem gleichen Prinzip, mit dem sich Heinrich Sizilien angeeignet hatte. Nur musste dazu die Tochter des eingekerkerten Isaak Angelos auch tatsächlich mehr sein als nur die Verlobte seines Bruders.
    »Herr Diepold von Schweinspeunt ist einer der getreuesten Vasallen Kaiser Heinrichs«, prahlte dessen Mann. »Deswegen hat ihn der Kaiser zum Grafen von Acerra

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