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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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kaiserlichen Farbe, die sich selbst die hohen deutschen Adligen kaum leisten konnten. Sie sagte etwas in einer Sprache, die dem Griechischen ähnlich war, doch nur so, wie die Volgare dem Latein ähnelte. Trotzdem, die Betonung ließ Judith sicher sein, dass sie das Gesagte richtig interpretierte: Irene wollte, dass man sie sterben ließ.
    »Nein«, sagte Judith in der Volgare und hoffte, dass die Prinzessin in den drei Jahren in Sizilien genügend davon gelernt hatte. Sie kniete sich neben das Bett des Mädchens und rollte sie behutsam auf den Rücken. Dann bat sie eine der Hofdamen, Irene an den Schultern festzuhalten, damit sich die Prinzessin während der Untersuchung nicht wieder umdrehen konnte.
    »Meinem Bruder erging es einmal ähnlich«, sagte die Frau. »Abu Abbas, der Arzt König Tankreds, hat ihm damals das Leben gerettet. Er hat gesagt, der Darm meines Bruders sei gebrochen, oder so etwas Ähnliches, und er hat ihn aufgeschnitten. Könnt Ihr das auch, Magistra?«
    »Wenn es nötig ist«, entgegnete Judith, obwohl sie in so einem Fall lieber einen weiteren Arzt zur Seite gehabt hätte, um ihr zu assistieren, nicht einen Haufen Hofdamen. »Aber nicht jeder Anfall von Magenschmerzen muss die gleiche Ursache haben.«
    Sie stellte die Tasche mit ihren Instrumenten und den Mitteln, die sie hastig eingepackt hatte, auf den Boden, dann beugte sie sich über Irene und sah ihr in die Augen. Den Patienten nicht wie ein unwissendes Tier zu behandeln, sondern zu versuchen, sein Vertrauen zu gewinnen, das hatte man hier in Salerno immer sehr betont. Sei nicht zu hastig, hatte Francesca öfter zu ihr gesagt. Du neigst dazu.
    »Manchmal ist das Leben nur schwer zu ertragen«, sagte sie leise zu der Prinzessin, »das weiß ich. Mein Vater ist mir gestorben, vor wenigen Wochen nur, und nun soll ich einen Mann heiraten, den ich mir nicht wünsche. Aber es wird besser. Ich weiß, dass es besser wird.«
    Die dunklen Augen der Prinzessin richteten sich auf sie. »Ich habe nicht das Wort an dich gerichtet, Frau«, sagte sie in der Volgare. »Es hat eine Zeit gegeben, da warfen sich die Menschen auf den Boden vor mir und küssten meinen Fuß, ehe sie zum ersten Mal das Wort an mich richten durften, und selbst dann nur, wenn ich es gestattete. Und nun werde ich den Bruder eines Schlächters heiraten, und fremde Weiber tun so, als sei ich ihresgleichen. Sprich also nicht davon, dass mein Leben besser wird! Gott hat mir diese Krankheit gesandt, damit ich zu ihm komme und endlich Frieden finde.«
    Etwas anderes, das man in Salerno lernte, war, Beleidigungen von Patienten an sich abperlen zu lassen; auch darin war Judith noch alles andere als vollkommen, das wusste sie. Sie biss die Zähne zusammen. Eine kranke Frau ist eine kranke Frau, sagte sie sich, gleich, welchen Standes sie ist.
    »Gott hat mich zu Euch geschickt«, sagte sie so ruhig wie möglich, »damit ich Euch gesund mache. Wenn Ihr hier sterbt, dann wird der Kaiser Salerno ein weiteres Mal mit seinem Zorn heimsuchen. Wollt Ihr wirklich, dass unschuldige Frauen und Kinder für Euren Frieden bezahlen? Ihr, deren Name Frieden bedeutet, wollt der Anlass für mehr Tote sein?«
    Irenes Hofdamen zischten und tuschelten empört, doch in Irenes Gesicht zuckte es. »Ich habe gesehen, wie der Kaiser Palermo in seinem Zorn heimsuchte«, flüsterte sie. »Ich habe es gesehen. Mit eigenen Augen.«
    Judith dachte daran, was Schweinspeunts Dienstmann erzählt hatte: dass der kleine Sohn König Tankreds vor seiner Mutter und seiner Schwägerin entmannt und geblendet worden war, und von all den anderen Toten, die darauf folgten. Mitleid und Zorn nahmen ihr für einen Moment fast den Atem.
    »Du hast recht, Frau«, sagte Irene mit einem Mal rauh. »Niemand hat verdient, dass er aus Rache sterben muss. Wenn ich es verhindern kann, so will ich es tun.«
    Was auch immer zu diesem Sinneswandel geführt hatte, das war ihr jetzt völlig gleich. Judith dankte ihr und bat die Prinzessin, das linke Knie zum Magen zu ziehen, falls sie es vermochte. Irene tat es, zwar langsam, doch sie tat es, und als Judith sie fragte, ob ihre Schmerzen dadurch schlimmer würden, schüttelte sie den Kopf. Stirnrunzelnd schob Judith vorsichtig das weiße Hemd zur Seite und begann, den Bauch der Prinzessin behutsam abzutasten. Es gab keine Schwellung. Sie übte leichten Druck aus. »Und jetzt? Werden die Schmerzen stärker?«
    »Nein.«
    Judith überlegte. »Habt Ihr heute Obst gegessen? Oder

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