Das Spiel der Nachtigall
gemacht, und darum hat er die Ehre, die Prinzessin ihrem Bräutigam zuzuführen. Der Kaiser weiß, dass er sich auf Herrn Diepold verlassen kann.«
»Und dann wurde die Prinzessin Irene krank?«, fragte Judith ungeduldig, um die Rede endlich auf ihre Aufgabe zu bringen. Der Kriegsknecht missverstand sie.
»Es war nicht Herrn Diepolds Schuld! Ich möchte wetten, das hiesige Natterngezücht ist dafür verantwortlich. Wir wollten nur kurz in Salerno Rast machen, für eine Nacht, aber das war eine Nacht zu viel, wenn Ihr mich fragt. Gift, ganz bestimmt ist Gift im Spiel. Die Welschen sind doch alle gleich. Und die hier in der Stadt haben schon die Kaiserin Konstanze entführt, da würde es mich nicht wundern, wenn sie auch noch die Prinzessin Irene vergiftet haben. Deswegen hat Herr Diepold auch auf einen deutschen Arzt bestanden.«
»Ich dachte, auf eine Ärztin.«
»Das war die Prinzessin«, sagte der Kriegsknecht. »Ein wenig zimperlich sind sie schon, die Weiber hier im Süden. Wollen wohl nicht von Männern angefasst werden. Von echten Männern, nicht den hiesigen Weichlingen. Bei denen ist alles etwas zu kurz geraten, der Kopf und der Schwanz.« Er bog sich über seinen eigenen dummen Witz vor Lachen.
Die Erinnerung an Salvaggias Angst vor zwei Jahren ließ Judith entgegnen, ehe sie es sich versah: »Nein, es ist nur Rücksichtnahme auf Euch. Wisst Ihr denn nicht, was mit einem Mann geschieht, der eine Frau aus dem Süden gegen ihren Willen berührt?«
Schweinspeunts Mann kniff misstrauisch die Augen zusammen.
»Nichts passiert.«
»Nicht sofort«, sagte Judith honigsüß. »Aber sie können ihr Glied weniger und weniger gebrauchen. Der Urin brennt jedes Mal schlimmer, der Samen wird immer schwächer, so dass sie keine Kinder mehr zeugen können. Und dann fängt das Glied an, sich mit Schorf und Blasen zu überziehen, bis es schließlich gänzlich zerfressen ist wie die Haut eines Aussätzigen und vom Körper abfällt.«
Er wirkte ein wenig bleicher um die Nasenspitze. »Das habe ich noch nie gehört! Überhaupt gibt es hier Männer, die seit den Zeiten des alten Kaisers Friedrich im Land sind. Denen ist das auch nicht geschehen.«
»Wollt Ihr damit sagen«, sagte Judith mit hochgezogenen Brauen, »dass Ihr die Glieder alter Männer selbst gesehen habt? Bei welcher Gelegenheit war das denn?«
»Nein, natürlich nicht, aber so etwas hätten sie doch erzählt!«
»Würdet Ihr jüngeren Kameraden erzählen, wenn Euch Eure Männlichkeit abgefallen wäre?«, fragte Judith freundlich.
Mittlerweile sah er leicht grünlich aus. »Ich habe auch noch nie gehört, dass eine anständige Frau vom Glied eines Mannes gesprochen hat«, stieß er wütend hervor.
»Nun, dann habt Ihr gewiss noch keine Magistra kennengelernt. Wir sind, Gott sei’s geklagt, gezwungen, auch diesen Teil des männlichen Körpers zu behandeln, wenn er von Schorf zerfressen wird und abfällt. Aber ich bin sicher, Ihr selbst habt nichts zu befürchten. Als ehrenvoller Mann habt Ihr gewiss nie Hand an eine Frau gegen ihren Willen gelegt, nicht wahr?«
Das war das Ende jeglicher Unterredung, bis sie das Kastell betraten. Judith war nicht sicher, ob sie mit ihrem boshaften Märchen ihren hippokratischen Eid verletzt hatte oder nicht, doch es fehlte ihr jedes Schuldgefühl deswegen.
Die Prinzessin Irene war im Bergfried untergebracht worden. Vor ihrer Kemenate standen so viele Wachen, dass sie mehr wie eine Gefangene als eine Braut erschien, aber da sie beides war, wunderte Judith das nicht. Die Damen der Prinzessin waren keine Byzantinerinnen, sondern stammten alle aus dem Königreich, so dass sich Judith mit ihnen in der Volgare verständigen konnte. Sie berichteten, dass die Prinzessin vor ein paar Stunden unter heftigen Magenschmerzen zusammengebrochen sei, und deuteten auf die gekrümmt liegende Gestalt auf einem Bett, das in dieser Umgebung merkwürdig armselig wirkte. Doch auch das Kastell war seinerzeit gebrandschatzt worden, und die wenigen Möbel, die jetzt darin standen, waren durch Diepold von Schweinspeunts Leuten hastig aus der Stadt geholt worden.
Die Prinzessin konnte höchstens sechzehn oder siebzehn Jahre alt sein; sie war kleiner als Judith, mit schwarzen, lockigen Haaren und einem sehr weißen, schmerzverzerrten Gesicht. Sie trug keinen Überrock mehr; ihr Unterhemd war aus weißer Seide. Niemand schien daran gedacht zu haben, ihr die Beinlinge auszuziehen, und so waren die Beine noch immer in Scharlachrot gehüllt, der
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