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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Hülsenfrüchte?«
    »Man hat der Prinzessin Feigen und ein Linsengericht bereitet«, sagte die Hofdame, die Irenes Schultern hielt. Eine andere rief aufgeregt: »Aber nichts davon war vergiftet! Herr Diepold hat uns alle davon kosten lassen, und uns geht es gut!«
    »Es muss kein Gift gewesen sein«, sagte Judith zögernd. Allmählich dämmerte ihr, worum es gehen konnte. »Setzt einen Kessel für heißes Wasser auf.«
    »Für Eure Instrumente?«
    »Nein«, gab Judith zurück. »Für ein Bad. Außerdem müsst Ihr Malven pflücken, die um das Schloss wachsen, und das schnell.«
    »Wir sind keine Mägde«, sagte eine der Damen spitz, doch dann klatschte Irene in die Hände, und die Frau senkte den Kopf. »Gewiss, Allerdurchlauchtigste«, murmelte sie unterwürfig und verließ mit zwei weiteren den Raum, während die anderen sich um das heiße Wasser kümmerten. Die Prinzessin war gewohnt, täglich zu baden, und hatte eine Reisebadewanne aus Palermo mit sich gebracht, was bedeutete, dass nicht erst nach Kesseln gesucht werden musste.
    »Ihr wollt mich nicht aufschneiden?«, fragte Irene, die sich wieder zusammengekrümmt hatte, nachdem die Hofdame sie losgelassen hatte.
    »Ich glaube nicht, dass es nötig ist«, entgegnete Judith und durchsuchte ihre Tasche nach den Mitteln, die sie mitgebracht hatte. »Wenn ich recht habe, dann leidet Ihr unter Blähungen.«
    »Aber … das ist unmöglich. Es tut unglaublich weh!«
    Es gab Ärzte, die gerne bedenklich dreinschauten und unverständliche Worte murmelten, um ihre Vergütung in die Höhe zu treiben, aber Judith gehörte nicht dazu.
    »Gewiss tut es das, und man muss sie auch behandeln, aber dazu ist es nicht nötig, an Euch herumzuschneiden.« Sie stellte die Gerstenkörner neben den Radieschensaft und wünschte sich, sie hätte mehr Rapsblüten mitgebracht. Nach dem Bad würde sie Irene daraus eine Packung bereiten, sie anwärmen lassen und ihr auf den Bauch legen, doch zunächst galt es, die schlimmsten Verkrampfungen zu lockern und es ihr zu ermöglichen, einen Wind von sich zu geben.
    »Habt Ihr Euren Vater häufig gesehen?«, fragte die Prinzessin abrupt. Judith, die sich gerade ihres eigenen Obergewandes entledigte, um Irene besser massieren zu können, wenn die Prinzessin erst im Bad saß, stockte in der Bewegung.
    »Ja«, antwortete sie mit gesenkter Stimme. »Jeden Tag, bis zu dem Moment seines Todes.« Das enge Gefühl in ihrer Kehle war eine Illusion, derer sie sich entledigen musste. Sie war als Ärztin hier. Es war nicht die Zeit, sich Krankheiten einzubilden.
    »Es gab Jahre«, sagte Irene, »in denen ich Seine Heilige und Ruhmvolle Majestät, meinen erlauchten Vater, nur an den hohen Feiertagen sah. Als man mir berichtete, dass mein Onkel ihn gestürzt und eingekerkert hat, da habe ich für ihn gebetet. Doch als man mir sagte, mein Vater sei geblendet worden, da musste ich nachdenken, ob seine Augen braun oder schwarz waren. Für meinen Mann, als er starb, und auch für meinen kleinen Schwager habe ich geweint, als sie ihm das Augenlicht nahmen, aber nicht für meinen Vater. Ich glaube, ich bin eine schlechte Tochter. Deswegen bestraft mich Gott auch mit einer lächerlichen Krankheit, die mich trotzdem quält, als trüge ich glühende Kohlen in meinem Magen.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte Judith, »denn wie ich Euch schon sagte, hat Gott mich geschickt, damit ich Euch helfe.«
    »Ihr seid anmaßend, Magistra«, gab die Prinzessin zurück, doch ihre Mundwinkel hoben sich um ein Winziges nach oben. Es entging Judith nicht, dass Irene aufgehört hatte, sie wie eine Dienerin zu duzen. Um ihre Patientin abzulenken, begann sie, Irene Geschichten von früheren Kaiserinnen zu erzählen. Die von Adelheid von Burgund war ihr besonders gut im Gedächtnis geblieben: Als Sechzehnjährige war Adelheid mit Lothar, dem König von Italien, verheiratet worden, bevor er drei Jahre später vergiftet wurde. »Um die Krone zu erlangen«, sagte Judith, »wollten die Mordbuben Adelheid zwingen, den Sohn des Anstifters, Markgraf Berengar, zu heiraten. Als sie sich weigerte, setzte man sie fest. Es gelang ihr zu fliehen. Doch sie wusste, dass sie, allein auf sich gestellt, nicht lange frei bleiben würde. So wandte sie sich an Otto, den König in deutschen Landen, und bot ihm ein Bündnis an. Er heiratete sie und besiegte Berengar. Durch diese Verbindung ging fast das ganze obere Italien an die Deutschen. Deswegen wurde Otto zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, und

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