Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
Kreuzzeichen in die Luft fuchtelte.
»Es geht hier um viel mehr als Sie ahnen«, versuchte esder Propst von neuem. »Das ist nicht etwas, das Sie mit ihren Stadtbüchern und ihren Waibeln ausrichten können; das ist der Kampf gegen das Böse«, ich hörte den Scharfrichter grunzen, als sein Versuch, auch das zweite Schultergelenk einzurenken, misslang, und der Propst erhob seine Stimme, damit er über das Heulen der Angeklagten vernehmbar war, »und die Rettung der Missetäter vor der Verdammnis. So wie Sie das anpacken wollen, machen Sie sich selbst zum Sünder.«
Ich trat einen weiteren Schritt zurück, als der Propst und sein Begleiter die Peinkammer verließen, gefolgt von Onsorg, der breitbeinig in der halb geöffneten Tür stehen blieb, als wollte er körperlich verhindern, dass die beiden oder jemand anderer den Raum erneut betraten.
»Lassen Sie das die Sorge der Stadt sein«, knurrte der Bürgermeister. »Und was meine eigenen Sünden angeht, so werde ich dafür vor dem Herrn geradestehen und nicht Sie.«
»Ich will Ihre Seele doch nur retten. Genauso wie die Unselige dort drin.«
Onsorg verschränkte die Arme über der Brust und presste die Lippen zusammen. Der Propst seufzte vor Zorn und ließ den Kopf hängen. Der Mönch faltete die Hände zum Gebet; der Propst ballte sie vor seinem beträchtlichen Bauch zu Fäusten. Die Frau in der Peinkammer schrie ein letztes Mal auf; der Scharfrichter trat hinter den Bürgermeister und brummte etwas.
»Bring sie hinüber in dein Haus und sperr sie ein«, sagte der Bürgermeister ruhig. »Sieh zu, dass sie am Leben bleibt. Ich befasse mich später wieder mit ihr, wenn ich mit dem Stadtvogt gesprochen habe.«
Der Scharfrichter nickte wortlos.
»Worauf warten Sie noch?«, rief Onsorg dem Propst und dem Mönch zu. Plötzlich fiel sein Blick auf mich. »Gehören Sie zu den beiden? Verschwinden Sie mit ihnen, und zwar auf der Stelle.«
»Die Vernunft weicht der Gewalt«, murmelte der Propst. »Gott schütze Sie, procurator. Sie haben seine Hilfe bitter nötig. Mir ist übel von dem, was ich hier erlebt habe.«
»Schreiben Sie eine Beschwerde an den Kaiser, wenn das hilft, dass Ihnen der Lachs heute wieder schmeckt«, versetzte Onsorg. Der Propst wandte sich mit mahlenden Kiefermuskeln um und stapfte die Treppe hoch. Onsorg trat beiseite, als der Scharfrichter die Angeklagte herausführte. Sie stolperte und schien nur mit Mühe die Beine bewegen zu können. Er hatte ihr die Hände nachlässig vor dem Leib gefesselt und ihr eine Decke um die Schultern gewickelt, um ihre Blöße zu bedecken. Die Augen der Frau waren große, wunde Löcher in ihrem Gesicht. Onsorg ließ die beiden passieren und schüttelte unzufrieden den Kopf.
»Was wollen Sie noch hier?«, fuhr er mich dann an. »Habe ich nicht gesagt ... ? «
»Ich habe mit dem Propst und seinem Klosterbruder nichts zu tun.«
»Was haben Sie dann hier unten verloren? Das ist nicht ein Ort der Belustigung.«
»Es gibt im ganzen Rathaus nichts, was ein fühlender Mensch zum Lachen fände. Wo sind die ganzen Leute?«
»Machen Sie, dass Sie rauskommen.« Er wandte sich ab, als erwarte er, dass ein Wort von ihm genügte, mich wie den Propst und den Mönch aus dem Rathaus zu scheuchen.
»Wenn Sie nicht einmal einen Richterspruch abgewartet haben, um die Unglückliche zu foltern, dann sind Sie wirklich in Schwierigkeiten«, sagte ich.
Onsorg, der mit finsterem Blick die Leiter betrachtet hatte, auf der man die Angeklagte gereckt hatte, drehte sich um. Seine Augen flackerten.
»Ich kenne Sie«, erklärte er.
»Der Freund des Burggrafen.«
»Der Burggraf hat keine Freunde«, sagte er fast mechanisch und mit einem freudlosen Lächeln.
»Sie haben sich soeben auch nicht gerade zwei Freunde gemacht.«
»Der Propst von Sankt Ulrich ist die gleiche Krätze wie es damals Bischof Peter war. Noch schlimmer, denn der Bischofhatte wenigstens was zu sagen und setzte sich auch dafür ein. Alles, was der Propst von sich gibt, ist ein Furz im Wind.«
»Wenn er dem Kaiser berichtet, was Sie getan haben, wird man diesen Furz im halben Reich schmecken.«
»Gehen Sie freiwillig, oder ich lasse ein paar Waibel holen und Sie wegen Belästigung des Bürgermeisters einsperren. Mein letztes Wort, ich warne Sie.«
»Ich bin lediglich gekommen, um Sie etwas zu fragen.«
»Ich habe keine Zeit. Fragen Sie Ihren Freund.« Er drückte die Tür zur Peinkammer zu und suchte an seinem Gürtel nach einem Schlüssel, mit dem er sie versperren
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