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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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konnte. »Ich hätte sie nicht offen lassen sollen, dann wäre das gar nicht passiert«, brummte er.
    »Ich habe den einzigen Freund, den ich hier habe, bereits befragt«, erklärte ich. »Er hat mir keine Antwort gegeben. Er liegt in Sandstein gehauen auf seinem Grabmal und erinnert seine Besucher an die Vergänglichkeit des Fleisches.«
    Onsorg fand den Schlüssel und steckte ihn ins Schloss. Er zögerte einen Moment, bevor er ihn mit einem Ruck umdrehte. Dann drehte er sich um und musterte mich. Der Gang war dunkel; das einzige Licht kam von der Treppe herunter, an deren Kopfende der Ausgang auf den Rathausplatz lag. Er nickte.
    »Sie sind kein Kleriker. Sie waren auch niemals Burggraf, denn ich kenne die lächerlichen Vorgänger von Gregor von Weiden, und Sie sind nicht viel älter als ich, also können Sie es auch nicht vor der Zeit meiner Erinnerung gewesen sein.«
    »Ich war niemals Burggraf.«
    »Einer von den Schnüfflern des Bischofs. Er hatte ein paar davon, aber nur einen, auf den er wirklich was hielt. Und der hat ihm bei der erstbesten Gelegenheit den Stiefel ins Kreuz getreten.«
    »Ich brauche nur eine Auskunft von Ihnen. Ich suche nach meiner Tochter.«
    »Sie hätten zuerst zu mir kommen sollen und nicht zum Burggrafen.«
    »Werden Sie mir helfen?«
    »Warum sollte ich?«
    »Weil ich vermeiden möchte, dass ihr etwas passiert.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Keiner ehrbaren Frau hier passiert irgendetwas.«
    »Außer, wenn ein Fanatiker sie als Hexe zu erkennen glaubt und sie auf die Leiter spannt, um ihr ein Geständnis zu entlocken, noch bevor ein Gericht ihm dazu das Recht gegeben hat.« Da war es heraus, und mit ihm jede Chance vertan, den Bürgermeister wenigstens zum Anhören meiner Sorgen zu bewegen. Verfluchter Jähzorn, der mir immer in die Quere kam. Onsorg starrte mich an. Plötzlich lachte er. Er schob sich an mir vorbei und marschierte die Treppe nach oben. Ich folgte ihm langsamer und resigniert. In meinem Kopf hörte ich immer noch das Stöhnen und die Schreie der Gefolterten und hörte sie mit der Stimme meiner Tochter.
    Onsorg war oben stehen geblieben und sah auf den Platz hinaus. Der Nebel musste sich in den letzten Minuten etwas gelichtet haben, denn man konnte wieder bis zur Metzg hinübersehen. Eine größere Menschenansammlung stand dort, eingekreist von Waibeln, die ihre Spieße quer hielten.
    »Vielleicht will der Burggraf sich ja auch in diesen Mord einmischen?«, fragte Onsorg. »Passen Sie auf: Ein alter Bettler schleicht auf dem Markt herum und will Trödel verkaufen. Ein Betrunkener gerät in Streit mit ihm. Plötzlich liegt der Bettler auf dem Boden, und der Betrunkene beginnt ihn zu treten. Was geschieht weiter?«
    Ich sah zu der Stelle hinüber, wo das Blut die Pflastersteine dunkel gefärbt hatte.
    »Die Leute auf dem Markt greifen nicht ein«, sagte ich.
    Er schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. Sie bilden einen Ring um die beiden Kontrahenten und feuern sie an. Der Betrunkene gerät in Raserei; er kann kaum stehen vor Rausch, aber jetzt tanzt er den Totentanz mit dem Bettler. Der Bettler wehrt sich nur schwach. Er versucht davonzukriechen, aber die Leute stoßen ihn immer wieder zurück.« Er deutete nach oben zum ersten Geschoss des Rathauses, wo die Reihe der feinverzierten Fenster von der Herrenstube aus über den Rathausplatz blickte.
    »Wir haben es von da oben mit angesehen, die Ratsherren, die Schreiber, ich, der Stadtvogt, der nicht ganz zufällig da war. Als wir verstanden, was da los war, saß der Betrunkene schon auf dem Rücken des Bettlers und schlug seinen Kopf gegen das Pflaster, mit aller Wucht, immer wieder und immer wieder, und irgendwann hörten die Arme und Beine des Alten auf herumzurudern, sondern zuckten nur noch, und die Leute rundherum hatten plötzlich Blut auf den Schuhen und sprangen zurück, und der Betrunkene hörte nicht auf, den Schädel des Bettlers gegen das Pflaster zu schmettern«, der Bürgermeister räusperte sich und ballte wütend eine Faust, »der Stadtvogt raste zur Treppe und brüllte nach den Waibeln, und ich wette, es ist ihm gar nicht aufgefallen, dass ein paar davon unter den Leuten waren, die der Schlächterei zusahen. Bis er unten war und das Volk auseinander gesprengt hatte, sprang der Betrunkene schon auf dem Kopf des Bettlers herum und trat seine Knochen in den Matsch, der sich auf dem Pflaster gebildet hatte, und Gilg Schneider neben mir würgte plötzlich und spie seinen Mageninhalt auf den Boden der

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