Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
Händedruck und eine kräftige Gestalt, und sein Gesichtsausdruck war der eines Mannes, der sich noch nicht ganz dazu hatte durchringen können, von den Streichen seiner Jugend Abschied zu nehmen. Die weit offenen, blauen Augen mochten zu dem Jungenhaften beitragen. Doch sollte ich mich von diesem ersten Eindruck nicht täuschen lassen. Er war höchstens zwanzig Jahre alt; aber ich nahm mir vor, ihn keinesfalls zu unterschätzen.
»Ich bin Jakob Fugger«, sagte er. »Meine Brüder und ich leiten seit dem Tod unseres Vaters dieses Haus.«
Ich wartete nicht darauf, dass der beleidigte Gregor mich vorstellte. Ich wies auf die Truhen, die unordentlich im Raum herumstanden und zum Teil mit ledernen Riemen umwickelt waren. An einigen Ecken hatte der Schreiner Verstärkungen angebracht. Ein Kunstmaler hatte das Familienwappen der Fugger aufgefrischt und neu auf alle bislang leeren Seitenwände und die Deckel gepinselt.
»Ich hoffe, wir stören Sie nicht bei Ihren Reisevorbereitungen?«
Gregor zuckte zusammen und blickte überrascht um sich. Jakob Fugger winkte ab. »Alles schon gepackt. Viel zufrüh, aber das ist eine Unsitte, die ich mir nicht abgewöhnen kann.«
»Wohin geht die Reise denn?«, fragte Gregor.
Fugger bat mich zu der Truhe, auf der Gregor saß, und ich machte Anstalten, neben dem Burggrafen Platz zu nehmen. Gregor sah mich von oben bis unten an und rang sich schließlich dazu durch, etwas beiseite zu rücken. Fugger setzte sich ohne Umstände auf eine andere Truhe uns gegenüber. Der Raum, in dem wir uns befanden, war klein und finster, das einzige Fenster ging auf die Gasse hinaus. Auf die Mauer des gegenüberliegenden Gebäudes hätte man spucken können, ohne sich hinauszulehnen. Fugger hatte sich so gesetzt, dass das Licht auf ihn fiel und wir im Dunkeln saßen. Er machte keinerlei Anstalten, die Sitzordnung zu seinen Gunsten zu verändern, sodass wir ins Dunkle hinein hätten sprechen müssen. Offenbar hatte er derlei kleinliche Taktiken nicht nötig.
»Florenz«, sagte er.
»Sind Sie sicher, dass Sie dorthin wollen?«
Als ich ihn unschuldig ansah, kniff Fugger die Augen zusammen. Gregor wandte sich langsam zu mir um wie ein Priester, der einen Ministranten beim Fluchen erwischt hatte. Jakob Fugger lächelte plötzlich.
»Das Haus Fugger hat sich während des Aufstandes zu Ostern schäbig benommen. Wir waren falsch unterrichtet, sonst hätten wir andere Prämissen gesetzt. Wir haben den Worten der Männer, die um den Papst herum waren, mehr geglaubt als denjenigen, die die Verhältnisse in Florenz kannten.«
»Nachdem der Aufstand fehlgeschlagen war, haben Ihre Agenten die Beine in die Hand genommen, als brennte der Boden hinter ihnen.«
»Diese Männer sind nicht mehr die Agenten des Hauses Fugger.«
»Könnte mir mal jemand erklären, worum es hier geht?«, unterbrach Gregor.
»Ist es wahr, dass Ihr Haus Geld in das schändliche Unternehmen der Familie Pazzi gesteckt hat?«
»Pazzi?«, echote Gregor. «Wer zum Teufel ist die Familie Pazzi?”
»Ja, bedauerlicherweise. Wie gesagt, man hatte uns falsch unterrichtet. Wir haben veranlasst, dass der gleiche Betrag an Lorenzo de' Medici übergeben wird, zusammen mit der Bitte, ihn nach Gutdünken für die Opfer des fehlgeschlagenen Aufstands zu verwenden – für die Opfer auf beiden Seiten.«
»Wenn ich ihn richtig einschätze, kann eine noble Geste Lorenzo de' Medici beeindrucken.«
Fugger neigte den Kopf. Wenn ich ihn richtig einschätzte, hatte die Geste seines Hauses nichts mit noblen Motiven zu tun, sondern mit der kalten Berechnung, dass aus der Handelsachse des Hauses in die Toskana nichts würde, wenn Fugger nicht die Vergebung des heimlichen Herrschers von Florenz erlangte.
»Brechen Sie zusammen mit Georg Hoechstetter auf?«
Er machte sich nicht die Mühe zu verbergen, dass er genau wusste, was im Haus seines Konkurrenten geschah. »Nein, warum sollte ich? Zwei unterschiedliche Wege und zwei unterschiedliche Ziele.«
»Vielleicht könnten wir wieder zum Thema kommen ...«, knurrte Gregor.
»Zu Ihrer Information, Burggraf«, sagte Jakob Fugger, »an Ostern gab es einen Aufstand in Florenz: Die Familie Pazzi, angestachelt durch Papst Sixtus, unternahm einen Anschlag auf Lorenzo de' Medici und dessen Bruder, um die Regierung der Republik zu stürzen. Lorenzo überlebte mit knapper Not, was den Aufstand zum Scheitern brachte.«
Gregor riss die Augen auf und grinste plötzlich. »Und Sie haben auf das falsche Pferd gesetzt,
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