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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Stimme wurde weder lauter noch leiser; doch ich wusste, dass sie von unten kam. Wenn man die längste Zeit seiner Jugend und einen wichtigen Teil des Erwachsenenlebens in einem Gebäude aus- und eingegangen ist, vergisst man seinen Grundriss nicht. Die Stimme kam von dort, weil dort unten der Raum lag, in dem sie sprach, und es war jetzt noch klarer als zuvor: Ich wollte nicht dorthin. Dennoch folgte ich den Stufen nach unten.
    Tu ohne Zögern, was immer ich dir befehle.
    Das Erdgeschoss: die geräumige Eingangshalle, das Bodenmosaik zerschunden von den ungezählten Stiefeln und Hufen, die darauf getreten waren. Bei schlechtem Wetter ließ Bischof Peter seine Kutsche bis in die Halle fahren und stieg in ihrem Schutz aus. Nach links und rechts verloren sich Vorratsräume und Lagerkeller, dunkle Räume mit winzigen Fenstern, die hoch in der Wand eingelassen waren, eher Verliese als Speicher und manchmal auch als solche verwandt. In einen dieser Räume mündete ein enger, geheimer Gang, dessen Anfang in der Sakristei des Doms lag und von einem der Vorgänger Bischof Peters angelegt worden war, ohne dass jemand herausgefunden hätte, wozu.
    Als Kind hatte ich Vorstellungen gehegt, welchem Zweck dieser Gang gedient haben mochte, und hörte das Klirren von nutzlosen Schwertern an massiven Wänden, während sich der listige Held meiner Tagträume durch den Gang in Sicherheit brachte.
    Als Jugendlicher hatte ich ebenfalls Vorstellungen über die Aktivitäten in jenem Gang gehabt und Geräusche vernommen, doch hörten sie sich eher nach dem unterdrückten Keuchen eines verbotenen Koitus an.
    Dabei hatte ich niemals Anzeichen entdeckt, dass die eineoder die andere meiner Vorstellungen jemals der Wirklichkeit entsprochen hätte.
    Der Gang war einfach da gewesen, der völligen Nichtachtung Bischof Peters preisgegeben. Warum war er damals nicht der Ort des Geschehens gewesen, anstatt des Raums, zu dem ich jetzt unterwegs war? Den Gang hätte man zumauern können.
    Der Fronhof bestand aus zwei Gebäudeflügeln, die sich im Pfalzturm trafen, eine sichelförmige Anlage, die den Turnierplatz umschloss und sich zum Dom hin öffnete. Der nach Süden verlaufende Gebäudetrakt beherbergte den Palast des Bischofs und in dessen Erdgeschoss die Lagerräume. Das Nebengebäude, deutlich kleiner und an den Palast angelehnt, verfügte unter anderem über einen kleinen Saal, der den bewaffneten Knechten des Bischofs als Aufenthalts- und Schlafraum diente. An ihn schloss sich eine Waffenkammer an, die nur durch den Wachraum betreten und verlassen werden konnte. Einer der Vorgänger Bischof Peters hatte die Trennmauern der beiden Gebäude durchbrechen lassen und einen langen Gang geschaffen, der vom Eingang des Palastes an der Wachstube vorbeiführte bis zur ...
    ... Kapelle.
    Ich hatte das Gefühl, dass alles zu schnell gegangen war. Der Traum mochte den Bischofspalast richtig wiedergegeben haben, nicht aber die Größenverhältnisse. Ich blieb stehen. In der Realität war der Palast größer und der Weg, der zur Lambertikapelle führte, weiter, oder nicht?
    Je länger du zögerst zu gehorchen, desto schlimmer wird jeden Tag deine Strafe sein.
    Die Tür war schmucklos und in die Stirnseite des Gangendes eingelassen. Sie war höher als eine gewöhnliche Tür und breiter – so viel musste sein. An ihrem unteren Ende war ein schmaler Lichtstreifen sichtbar. Die Kapelle war immer erleuchtet, wenigstens von einem einzigen Licht, dem ewigen Licht.
    Ich hörte die Stimme. Glücklicher Odysseus, gefesselt am Mast deines Schiffs, der du den Stimmen nicht folgen konntest,die du vernommen hast. Ich trat einen Schritt vor und ergriff den Hebel, der den Schließmechanismus der Tür in Bewegung setzte – listenreicher Traum, der Mechanismus ist frisch geölt und die Farbe auf den erhabenen Ornamenten nachgezogen –, und drückte ihn hinunter. Die Stimme wurde lauter, meine Traumhände hoben sich und pressten sich auf meine Traumohren.
    Hattest du dir nicht die Ohren mit Wachs ausgießen lassen, Odysseus?
    Wäre ich nur so schlau gewesen wie du.
     
    Ein Mann stand in der Kapelle, ein Mann, der einen Einfall hatte und davon überzeugt war, das Richtige zu tun; ein Mann, der es gut meinte und damit schon den halben Weg zum Schlechten hinter sich gebracht hatte; ein Mann, der glaubte, eine Lüge aufklären und einen Menschen retten zu können; ein Mann, der irgendwo gelesen hatte, dass in jedem Gift auch das Gegengift steckt.
    Der Mann beschwor.
    Ich befehle

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