Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
Hoffnung zu beweisen, dass er mehr war als ein Popanz im Amt und dabei eine noch schlechtere Figur machte als die Reihe der Versager vor ihm. Wenn es den Mörder nicht gäbe, Gregor hätte ihn erfinden müssen.
»Du sagtest, du habest das Pferd noch gar nicht so lange.«
»Seit letztem Herbst«, brummte Gregor, der erkannt hatte, was er damit eingestand. Er wich meinem Blick aus, und trotz meiner Vorbehalte gegen ihn verfluchte ich mich dafür, meine Gedanken so unüberlegt ausgeplappert zu haben. Bischof Johann hatte irgendwann um das Jahr 1463 herum faktisch dieAmtgeschäfte von Bischof Peter übernommen. Bischof Peter war 1468 verstorben und hatte das Bistum damit offiziell in Johann von Werdenbergs Hände gelegt. Und es hatte noch einmal fast zehn Jahre gebraucht, bis Gregor von Weiden das Pult des Untersuchungsbeamten in der großen Schreibstube des Bischofspalastes gegen den ohnehin wenig begehrenswerten Posten des Burggrafen hatte eintauschen können. Ich glitt von der Tischkante und hatte das Bedürfnis, Gregor die Hand auf die Schulter zu legen. Er sah überrascht zu mir hoch.
»Ich habe Hunger«, sagte ich. »Wollen wir sehen, was die Küche des Bischofs zustande gebracht hat?«
Er nickte erleichtert und fasste meine Hand, während er aufstand. »Ich habe eine Überraschung für dich«, erklärte er und mühte sich, ein überlegenes Grinsen auf seine Lippen zu zaubern. »Bischof Johann hat zwar die Weinvorräte von Bischof Peter vernichten lassen, aber er hat nicht alle Fässer gefunden.« Er zwinkerte mir zu. »Zufällig ist eines davon heute Morgen im Burggrafenturm aufgetaucht, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Spanischer?«
»Nein, einer von seinen seltenen französischen, aus dem Medoc. Vitis Biturica, den hattest du doch immer am liebsten.«
Es berührte mich merkwürdig, dass er sich das gemerkt hatte, weitaus stärker als die Frage, wie viele Fässer von Bischof Peters kostbarem Wein er wohl heimlich für sich beiseite geschafft hatte. Ich drückte seine Hand, und er drückte sie zurück und ließ sie dann los. Für einen kurzen Augenblick standen wir uns gegenüber wie die alten Freunde, die wir in Wahrheit nie gewesen waren, und für einen noch kürzeren Augenblick schien es möglich, dass wir es noch werden könnten. Ich lächelte und versuchte, nicht zu intensiv daran zu denken, welche Möglichkeiten es wohl für meine Tochter Maria und mich noch gab, sollte ich sie hier in dieser Stadt jemals wieder finden.
»Die Traube der Grafen von Anjou und späteren Könige von England«, sagte ich. Gregor schloss die Augen und tat, als koste er einem guten Schluck nach; in Wahrheit trennte ihnnoch mehr von einem guten Wein als es bei Bischof Peter, dem ursprünglichen Besitzer des angekündigten kostbaren Fässchens, der Fall gewesen war. Bischof Peter hatte viel Geld für seinen Wein ausgegeben, den er dann doch in derselben Hast getrunken hatte wie sein Bier; Gregor hatte den Wein stets mit ähnlicher Geschwindigkeit hinuntergekippt, doch mangelte es ihm auch an der Lust, edle Tropfen zu erwerben.
»Schwarze Beeren, Holunder, Zedernholz und Rauch«, zitierte er eine Aussage, die sowohl von Bischof Peter als auch von mir stammen konnte.
»Gehen wir«, schlug ich vor und kostete dem Gefühl der seltenen Harmonie nach wie Gregor dem eingebildeten Schluck Wein, »bevor ich noch das Tintenfass deines Schreibers austrinke.«
8.
Der Wein war tatsächlich hervorragend gewesen, und vielleicht hatte ich mehr davon getrunken, als mir gut tat, denn auch ein guter Wein kann Albträume verursachen. Ich hörte eine Stimme.
Ich lag in einem gewaltigen Bett in einem der Zimmer des Palastes, das vermutlich wie das Bett selbst für den Besuch einer hoch stehenden Person reserviert war; womöglich ruhte mein Kopf auf derselben Stelle, auf der auch das kaiserliche Haupt Friedrichs von Habsburg schon geruht hatte. Dennoch hatte ich kein erhabenes Gefühl. Das Essen, so köstlich es gewesen war, lag in meinen Eingeweiden wie ein Haufen Pflastersteine, und mein Kopf drehte sich langsam um sich selbst und die belanglosen Gespräche, die Gregor und ich in der großen Banketthalle geführt hatten, in der der Burggraf das Essen hatte auftischen lassen: kühl und finster und zu gewaltig für zwei Männer und die ebenso stumm wie unlustig um sie herum huschende Bedienstetenschar; zu sehr hallend für den banalen Austausch von Worten, mit dem wir vergeblich versuchten, das Gefühl der Nähe aus Bischof Johanns
Weitere Kostenlose Bücher