Das Spiel des Saengers Historischer Roman
hegt.«
»Ein verschüchtertes kleines Ding und wohl auch etwas weltfremd.«
»Allerdings. Mich wundert es, dass Eure Schwester sie als Begleitung mitgenommen hat.«
»Mich auch, Hardo. Aber die Jungfer ist willig und naiv und ein hübsch frommer Schild, hinter dem Margarethe sich verbergen kann.«
»Die ehrwürdige Mutter ist nicht gut auf mich zu sprechen, das wisst Ihr sicher.«
»Sie hat Gift und Galle gespuckt. Andererseits, Hardo, mir war auch nicht klar, dass Ihr einst hier aufgewachsen seid, und dass Ihr unter der unseligen Tat Eures Vaters zu leiden habt, wurde auch mir erst gestern bewusst.«
»Und nun bin ich Eurer Achtung nicht mehr würdig.«
Es gab nicht viele Menschen auf der Welt, deren Achtung mir wichtig war. Ich war wählerisch geworden in den vergangenen Jahren. Gottfried von Fleckenstein war einer von ihnen, an dessen Wohlwollen und Freundschaft mir gelegen war.
»Hardo!«
Vorwurf klang in seiner Stimme.
»Die Sünden der Väter … Ihr wisst schon.«
»Das Einzige, was mich jetzt an Euch enttäuscht, ist Euer mangelndes Vertrauen in mich. Wir haben doch nicht umsonst nächtelang disputiert - über Sünde und Vergebung, über die menschliche Natur, ihre Tugenden und ihre Schwächen, über die Macht des Wissens und die Schande des Unwissens. Wie könnt Ihr von mir annehmen, dass diese neue Erkenntnis mein Urteil über Euch umwirft? Im Gegenteil, Ihr habt eine weit schwerere Last zu tragen, als ich bisher ahnte.«
»Eine, die ich gewohnt bin.«
»Aber heute wird sie Euch wieder schwerer werden, fürchte ich. Meine Schwester ist eine starke Frau, und sie führt ihr Kloster bewundernswert und mit eiserner Hand. Aber sie ist Euch gegenüber nachtragend und unversöhnlich. Fragt mich nicht, warum das so ist.«
Ich erlaubte mir ein kurzes Schnauben.
»Ihr werdet es noch erfahren.«
»Das heißt also, Ihr wisst etwas von ihr, was sie lieber geheim hält. Und bisher habt Ihr dazu geschwiegen. Ihr scheint mir ein noch weit gefährlicherer Mann zu sein, als ich dachte.«
»Wissen ist Macht.«
»Ich bitte Euch, werdet nicht leichtsinnig.«
»Soll ich schwermütig werden?«
»Das auch nicht. Was auch sei, ich werde an Eurer Seite stehen, Hardo.«
»Danke, doch tut es nicht zu offensichtlich. Die Kräfte, die hier wirken, müssen sich auf ihre Weise entfalten.«
»Was hat das alles mit diesem Sigmund zu tun, Hardo? Ihr kennt ihn doch von früher.«
»Ja, ich kannte ihn von Kindheit an. Er war immer hier, während mein Vater und Herr Eberhart in Schlachten oder auf Turniere zogen. Die Burg verwaltete er gut, möchte ich heute sagen.«
»So scheint es mir auch. Aber sein Weib behandelte er weit schlechter.«
»Ja. Er führte alle, die ihm zu gehorchen hatten, mit Strenge und wenig Nachsicht.«
»Ein junger Tropf hatte vermutlich unter ihm zu leiden?«
»Ich galt als dumm, doch mit Pferden konnte ich umgehen, weshalb ich im Stall arbeitete. Und dann und wann den Karren zu den Pächtern fuhr, um die Abgaben einzusammeln, oder zum Markt, um Vorräte zu kaufen. Handeln, Gottfried, konnte ich schon immer ziemlich gut.«
»Rechnen fiel Euch leichter als Schreiben.«
»Dazu brauchte ich erst mal nur meine Finger.«
»Pasteten für zwei Dutzend Gäste auszurechnen braucht es mehr als zehn Finger.«
»Ich war eine Weile bei einem Küfer in der Lehre. Der brachte mir bei, mit Maßen zu rechnen.«
Ich lächelte bei der Erinnerung.
»Wann das, Hardo?«
»Drei Jahre lang, das war in der Zeit, als der Burgherr gegen Brabant zog. Sigmund wollte mich aus dem Weg haben. Mir war es ganz recht. Die Arbeit mit dem Holz hat mir gefallen, und ich wurde nicht so häufig geprügelt.«
»Wie alt wart Ihr da?«
»Lasst sehen - mit neun musste ich in die Schule, mit zehn riss ich zum zweiten Mal aus, und in dem Jahr begann ich, als Lehrjunge zu arbeiten. Bis ich dreizehn war - da kehrte der Burgherr zurück, und mein Vater befahl, dass ich mich wieder um die Pferde kümmern sollte. Eberhart aber wollte, dass ich von dem Verwalter lernte. Der jedoch bewies mir tagtäglich, was für ein Trottel ich war.«
»Und dann habt Ihr Euch auch noch in seine Tochter verliebt.«
»Eben, ein rechter Trottel. Und nun helft mir, dieses Fass nach oben zu schaffen!«
Wir brachten die Fässer zum Saal, und als ich das erste angestochen hatte, erklang das Glöckchen im Kapellenturm, um die Bewohner zusammenzurufen.
Ulrich betrat den Raum und nickte mir zu.
»Setzt Euch wie üblich auf die Stufen, Hardo. Ich
Weitere Kostenlose Bücher