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Das Spiel des Saengers Historischer Roman

Titel: Das Spiel des Saengers Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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nichts.
    Aber schön war der Traum trotzdem gewesen, wenn sie ehrlich zu sich war.
    Vorsichtig hatte sie während der langweiligen Morgenandacht zu Hardo hingeschaut, der gelangweilt dem nuscheligen Gefasel des Kaplans lauschte. Ob Gott der Herr diesem halbtrunkenen Magister auch nur einen Zipfel seines Ohres
leihen würde, mochte dahingestellt sein. Sie tat es jedenfalls nicht. Aber ihre Augen ließ sie weiden …
    Er hatte sich gestern wieder barbieren lassen, doch über Nacht hatten sich dunkle Schatten auf seinem Kinn gebildet. Sie machten sein Gesicht hart, und allmählich fragte sie sich, warum er sich mit dem fein gezupften Zierbärtchen solche Mühe gab. Er spielt hier doch nur den Gimpel, dämmerte es ihr plötzlich. Er wollte, dass man ihn unterschätzte.
    Wollte er auch, dass sie das tat?
    Versteckte er vor ihr auch sein wahres Gesicht hinter Neckereien und spöttisch vorgetragenen Minneversen?
    Und wenn - was war sein wahres Gesicht?
    Das unnachgiebig zielstrebige? Das spöttisch boshafte? Das kühle kühne? Das ernsthaft besorgte? Das freundschaftlich übermütige, das er oft in Ismaels Gegenwart zeigte?
    Ismael! Er kannte ihn besser als alle anderen. Er wusste, welches Spiel er mit ihnen hier trieb. Ihn wollte sie zwar nicht ausfragen, aber da gab es ja noch andere Möglichkeiten.
    Der buckelige Rücken ihres Vetters zog ihren Blick an. Sebastian war von dem Ritter gebeten worden, die Pachtaufzeichnungen der letzten zehn Jahre zu prüfen. Aber auch wenn er Stunde um Stunde über den Büchern verbrachte, so wurde ihm doch genügend Freizeit gewährt, die er mit Dietrich und Ismael verbrachte. Oder bei den Mannen.
    Die Männer sprachen mit Sicherheit auch über den seltsamen Minnesänger, und über diesen Klatsch und Tratsch wollte Engelin nun auch Bescheid wissen.
    Eigentlich hätte sie wieder in der Küche helfen müssen, aber sie hatte schon vor der Andacht den Teig geknetet und Körner für den Brei geschrotet; man würde eine Weile auf ihre Dienste verzichten können. Und so heftete sie sich nach dem letzten Gebet an Puckls Kittel und folgte ihm in den Raum, in dem der Verwalter seine Arbeit getan hatte. Zahllose Bücher stapelten sich auf dem Tisch. Engelin äußerte angesichts dieser Menge an Aufzeichnungen ihr Mitgefühl.

    »Grässlich«, bestätigte Puckl ihr. »Diese Registerbände - ein vollständiges Durcheinander.«
    Die Klage nahm Engelin nicht allzu ernst, Sebastian hatte eine Leidenschaft - und die hieß Ordnung schaffen.
    »Er hat zwar alles notiert, dieser Sigmund, aber einfach nur der Reihenfolge nach. Wachskerzen und Pferde, Weinfässer und Stecknadeln, Heugabeln und Brokatvorhänge. Ich habe dem Ritter vorgeschlagen, Haushalt und Pacht auseinanderzurechnen, damit man sehen kann, wie hier gewirtschaftet wurde. Aber es ist eine Höllenarbeit.«
    »Ich kann dir ja beim Addieren helfen, Puckl. Das Klappern auf dem Abakus wäre für meine geschundenen Finger mal eine Abwechslung vom zähen Teigkneten.«
    »Und dann kriegen wir heute Mittag kein Brot.«
    »Doch, doch, das wird schon noch gebacken, du Gierschlund. Auf, du nennst mir die Beträge, ich addiere. So wie in Vaters Kontor.«
    Sebastian grinste sie an.
    »Wer bin ich, eine solche Hilfe abzulehnen? Auf geht’s!«
    Sie arbeiteten gut zusammen, flink schob Engelin die Kugeln auf dem Rechenbrett hin und her, während Puckl die Posten auf den Täfelchen notierte. Dann hatte sie einen der Registerbände durch, und er lehnte sich zurück und betrachtete das Ergebnis.
    »Irgendetwas stimmt nicht, Engelin. Aber ich komme nicht dahinter, was es ist. Ich habe nur so ein Gefühl, dass die Proportionen der Zahlen nicht schlüssig sind.«
    »Vielleicht erschließt es sich, wenn wir noch einen Band durchrechnen.«
    »Ja, vielleicht. Oder ich muss noch mal nachdenken. Bei den Pachteinnahmen ist alles schlüssig. Oder besser, da weiß ich jetzt, wo gemogelt wird. Aber diese Pferdezucht …«
    »Hast du mit Herrn Ulrich schon darüber gesprochen?«
    »Werde ich, sowie ich ein besseres Gefühl dafür habe. Denn das wird Folgen für einige Leute haben.«
    »Er ist ein strenger Herr, der Ritter, nicht wahr?«

    »Das ist nicht schlecht, Engelin. Dein Vater ist auch streng. Aber genau wie er trägt Herr Ulrich auch schwer an der Verantwortung. Und er ist immer gerecht. Das sagt auch Dietrich.«
    Engelin ließ die Finger müßig über die Kugeln des Abakus gleiten.
    »Du hast schnell zwei gute Freunde gefunden, will mir scheinen?«
    »O ja, Ismael und

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