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Das Spiel des Saengers Historischer Roman

Titel: Das Spiel des Saengers Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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werde ein Tribunal halten müssen.«
    »Gericht über den Sohn des Mörders?«
    »Es wird die Fronten klären.«

Das Tribunal
    Der Ritter thronte alleine an der Hohen Tafel, ich nahm, wie er es gewünscht hatte, auf der obersten Stufe davor Platz; die anderen versammelten sich vor ihm im Saal. Die Tische waren noch nicht aufgebaut, und die Bänke standen an den Wänden. Niemand setzte sich also, aber ich beobachtete, dass man sich in Gruppen zusammenfand. Gruppen, die gleicher Meinung waren, wie ich stark vermutete. Links hatte sich aus der Äbtissin, dem Pächter, dem Höfling und Loretta eine Gemeinschaft gebildet - ein gemeinsamer Feind verursacht eigenartige Koalitionen! Rechts standen der Domgraf, Ida, Casta und, zu meiner Verwunderung und heimlichen Freude, auch Engelin beieinander. In der Mitte, ohne einander anzusehen, der Kaplan, der Gelehrte, van Dyke, der Kölner Stiftsherr und Jonata. Die aber warf ängstliche Blicke zu ihrer Mutter Ida auf der einen und ihrem Mann, dem Pächter Cuntz, auf der anderen Seite. Sie fühlte sich von allen offensichtlich am meisten unwohl.
    Ismael kam auf leisen Sohlen die Wand entlanggeschlichen
und setzte sich zu meinen Füßen. Sein Blick war unerwartet ängstlich.
    »Sie haben ziemlich hässliche Sachen verbreitet«, flüsterte er mir fast ohne Lippenbewegung zu.
    »Ich weiß.«
    Der Junge war aufgeregt, versuchte aber Gelassenheit zu zeigen. Er hatte Angst vor Anklagen; Gerechtigkeit hatte er bisher selten kennengelernt. Ich konnte mit ihm fühlen, auch ich war der Willkür Opfer gewesen.
    Doch hier war es anders - nicht meine Tat war es, über die gerichtet werden sollte. Selbst wenn ich mich zutiefst in Ulrich getäuscht hatte und er den Anklagen folgen würde, hatte ich noch immer ein paar andere Mittel bei der Hand, zumindest einigen Schaden anzurichten, den der eine oder andere wohl lieber vermeiden würde.
    Dennoch beobachtete ich die Versammlung mit einer gewissen Anspannung.
    Ulrich hatte eine Handglocke, die er nun läutete, und das Geraune verstummte.
    »An mich wurde von einigen unter euch die Bitte herangetragen, Meister Hardo Lautenschläger und seinen Begleiter Ismael zu strafen und der Burg zu verweisen«, eröffnete er die Verhandlung. »Ich bitte euch, laut und vernehmlich die Vorwürfe vorzutragen.«
    In der linken Gruppe sahen sich die vier Personen fragend an. Offensichtlich hatten sie diese Entwicklung nicht geahnt. Es war immer leichter, einem Einzelnen seine Anklagen zu unterbreiten, als sie vor einer Gruppe zu rechtfertigen. Mut brauchte man dazu, und den hatten weder der Höfling Lucas noch die Buhle Loretta. Und Cuntz schon erst recht nicht. Die Äbtissin hatte ihn.
    Sie trat vor.
    »Dieser Mann, der sich heute Meister Hardo Lautenschläger nennt«, sie spuckte Titel und Namen förmlich aus, »ist einst auf dieser Burg hier aufgewachsen. Sein Vater Gerwin war der Marschall meines Gatten, des Herrn und Ritters
Eberhart von Langel. Gerwin war ein devoter Speichellecker und hat beständig versucht, sich bei seinem Herrn einzuschmeicheln. Bei jeder Fahrt, die mein Gatte unternommen hat, musste er dabei sein. So ritten sie auch im Jahre des Herrn dreizehnhundertvierundneunzig zu einem Turnier in Jülich, und als sie zurückkamen, stürzte dieser heuchlerische Unhold Gerwin sich im Stall auf meinen Gatten und erstach ihn. Ihr selbst habt Gerwin verurteilt und dem Henker übergeben, Herr Ulrich. Und nun holt Ihr uns den Sohn des Mörders ins Haus und ehrt ihn wie einen Vornehmen. Gerwins Söhne sind blöde geblieben, der eine starb, der andere machte sich mit dem Abschaum gemein. Das hat er sich erdreistet, uns selbst zu erzählen. Wer weiß, ob er nicht genau wie sein Vater plötzlich einem von uns in seinem Irrwitz die Gurgel durchschneidet. Er ist von Geburt an mit einem Fluch beladen!«
    Jetzt wurde auch Lucas, der Schmucke, mutig.
    »Sein gewalttätiges Handeln habe ich gestern selbst erlebt, Herr Ulrich. Nur weil ich seinen lieblichen jungen Freund gebeten habe, mich zu barbieren, hat er mich brutal die Treppen hinuntergestoßen und mich zu Boden getreten.«
    »Und mir hat der schmutzige Junge kostbare Perlen gestohlen«, giftete Loretta los.
    Ismael zuckte zusammen. Ich legte ihm die Hand auf die Schulter. Haltlose Anschuldigungen waren etwas, das er oft genug erlebt hatte. Er sollte wissen, dass ich ihn beschützen würde.
    Ulrich hatte sich das alles schweigend angehört und wandte sich jetzt an Cuntz, den vierten im Bunde.
    »Und Ihr,

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