Das Spiel des Saengers Historischer Roman
Dietrich sind großartige Kumpanen. Und was die schon alles erlebt haben! Ich meine, wir haben den armen Ismael ja mächtig aufgezogen, weil er nicht in das Verlies mit runterwollte, aber seit gestern kann ich das verstehen. Herr im Himmel, wie schaurig, wochenlang da unten zu hocken. Man kann sich kaum bewegen, es stinkt, es ist feucht, es gibt Ratten und Ungeziefer in Mengen.«
»Ja, aber Ismael war wenigstens nicht verletzt«, murmelte Engelin.
Puckl sah sie plötzlich mit großen Augen an.
»Warum hast du mir nie erzählt, dass du diesen Hardo damals getroffen hast, Engelin?«
»Warum hätte ich das tun sollen? Es war nicht eben meine rühmlichste Zeit.«
»Aber du warst mit ihm zusammen. Und Mann, Engelin! Der ist vielleicht ein Kerl! Ismael sagt, der kennt Tausende von Geschichten, und der weiß sie zu erzählen. Mann! Ehrlich! Alles, was ich bisher gehört und gelesen habe, war nicht halb so gut. Und dann diese Stimme, Engelin, ist die nicht fantastisch?«
»Mhm.«
»Ismael sagt, früher war die völlig anders, ganz rein und klangvoll. Ob er das wohl geübt hat, so heiser zu sprechen?«
»Besser, du übst es nicht«, sagte Engelin trocken.
»Nein, natürlich nicht. Aber Ismael sagt, er hat auch das Kämpfen gelernt, da bei den Räubern, und er war richtig gut darin. Ich habe erst gedacht, er sieht gar nicht so aus, als ob er raufen könnte, so geschniegelt, wie er auftrat. Aber als
er den Lucas verprügelt hat, sah man, dass er ein paar fiese Tricks draufhat.«
»Mhm.«
»War er früher auch so?«
»Nein.«
»Ismael sagt, er ist unheimlich flink im Kopf. Der ist kein Trottel.«
»Nein.«
»Aber der alte Waffenmeister sagt, die haben ihn hier immer mit seinem Bruder verglichen. Und der ist blöd geblieben.«
Engelin merkte auf.
»Bruder?«
»Hat er dir das nicht erzählt? Er ist doch hier aufgewachsen. Er und seine Geschwister. Na ja, vielleicht schämt er sich ja deswegen. Wo sie ihn doch immer für einen Simpel gehalten haben. Ist schon seltsam, dass er es jetzt erzählt, nicht?«
»Ja. Was wusste der Waffenmeister denn sonst noch?«, fragte Engelin, um weitere Spekulationen zu unterbinden.
»Unheimlich viel. Der war schon Wachmann, als der alte Burgherr noch lebte - nicht der Eberhart, sondern dessen Vater. Damals hat es auch ein paar Angriffe gegen die Burg gegeben, und da hat er die ersten Armbrüste anschaffen lassen. Du, der Waffenmeister hat mir gezeigt, wie man damit schießt und …«
»Wer waren denn Hardos Eltern?«, fiel Engelin in Puckls überschäumenden Redeschwall ein.
»Och, ich dachte, das wüsstest du? Der Stallmeister und sein Weib. Die Frau stammte aus Venedig, stell dir vor! Die hat er nach dem Feldzug nach Italien mitgebracht, damals unter Kaiser Karl. Darum ist Meister Hardo wohl auch so dunkel.«
»Venedig«, seufzte Engelin. »Ich wünschte, Vater ließe mich einmal dorthin reisen. Immer wenn ich im Lager die Waren von dort sehe, packt mich die Sehnsucht.«
»Ja«, sagte Puckl ebenfalls verträumt. »Obwohl die Reisen sehr beschwerlich sind.«
»Mhm. Feldzüge sind aber wohl noch beschwerlicher.«
»Ja. Aber das ist Männersache. Jedenfalls, von den vier Brüdern ist nur einer hiergeblieben, sagt der Waffenmeister.«
»Vier Brüder? Von Hardo?«
»Nein, Eberhart und die drei anderen. Die haben zusammengehalten wie Pech und Schwefel, sagt er, nur der Jüngste, der konnte nicht mitmachen. Weil der krank geworden ist, als er eben sieben Jahre alt war. Auf den Tod krank, und dann ist ein Wunder geschehen, und er ist vom Sterbebett aufgestanden. Nur ein Bein war anschließend lahm.«
»Oh, Doktor Humbert!«
»Ja, genau der.«
»Und wer waren die anderen Brüder?«
»Hab ich den Waffenmeister nicht gefragt, weil … das interessierte mich nicht so sehr. Ich war ja wegen der Armbrust bei ihm.«
»Ah, natürlich.«
Engelin hätte ihre Befragung gerne weiter durchgeführt, aber in diesem Augenblick trat der Ritter in das Gemach, und Puckl wurde sofort zum beflissenen Secretarius.
»Jungfer Engelin hat mir geholfen, die Ausgaben zu addieren«, erklärte er ein wenig schuldbewusst.
»So beherrscht Ihr auch das Rechnen, wohledle Jungfer?«
»Ich helfe meiner Mutter oft bei der Buchführung, Herr Ulrich.«
»Ein nützliches Wissen, gewiss, nur glaube ich, dass derzeit Ida in der Küche Eurer geneigten Unterstützung bedarf.«
»Natürlich. Ich gehe augenblicklich.«
Überrascht sah sie, dass der Ritter sie freundlich anlächelte.
»Ich bin Euch zu großem
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