Das Spiel des Saengers Historischer Roman
Hilfe, die er ihr hatte zuteilwerden lassen. Und ja, sie hatte deshalb ein schlechtes Gewissen.
Und grollte mit sich selbst.
»Du bist in ihn verliebt!«
»Casta!«, schrie Engelin auf und blieb mitten in ihrem Hin- und Herlaufen stehen.
»Doch, bist du.«
»Bin ich nicht. In diesen Schöntuer, der wahllos alle Frauen betören will? Nie und nimmer!«
»Wie du meinst, Engelin. Ich jedenfalls werde jetzt in dieser Truhe nach Schätzen suchen. Ich bin das grüne Kleid so leid. Und für dich werden wir auch ein anderes finden. Zuzeiten hat meine Mutter sehr kostbare Gewänder getragen.«
»Sie wird Feuer spucken, wenn sie uns in ihren Kleidern sieht.«
»Soll sie. Es war ihre Entscheidung, die schwarze Kutte der Benediktinerinnen zu nehmen. Und wie du vielleicht festgestellt hast, ist die ihre nicht aus rauem Stoff, sondern aus feinstem flandrischem Tuch gefertigt, und ihre Cotten sind noch immer aus weißer Seide.«
»Du lehnst dich gegen sie auf?«
Casta seufzte leise.
»Engelin, du hast dich auch einmal aufgelehnt, um deinen Willen durchzusetzen. Ich bin immer folgsam gewesen. Und habe nichts damit erreicht.«
»Ich bin jetzt auch folgsam.«
»Du bist folgsam, weil du dich durchgesetzt hast. Aber warte ab, wenn dein Vater dir den nächsten edlen Herrn als Gatten präsentiert.«
Engelin dachte flüchtig an ihres Vaters Bemühungen, mit Lucas van Roide ins Gespräch zu kommen, und gab unwillkürlich ein leises Schnauben von sich.
»Siehst du!«
Casta stand auf und hob den Truhendeckel an.
Kostbare morgenländische Brokate schimmerten darin. Edelsteinfarben leuchteten sie in Meerblau und Smaragdgrün, Aprikosenrosa und Safrangelb.
Beide Jungfern seufzten sehnsüchtig. Dann griffen sie mit beiden Händen zu.
Etwas später hatten sie ihre Auswahl getroffen und baten Ännchen, die gelangweilt an einem ausgefransten Hemdsaum stichelte, die Gewänder zu bürsten und auszulüften und hier und da eine kleine Änderung vorzunehmen. Das Mädchen ließ sich die eifrigen Hände mit einigen Silbermünzen schmieren, und Engelin und Casta machten sich auf die Suche nach Jonata.
Sie fanden das Weib des Pächters vor dem Hühnerstall, eifrig eine von dessen Bewohnerinnen rupfend. Zwei weitere Hühner lagen schon vom Federkleid entblößt in einem Korb, drei weitere warteten noch darauf, das ihre zu verlieren. Ohne große Worte zu machen nahm sich Engelin eines der Tiere vor und rupfte ebenfalls. Casta hingegen sammelte Federn auf und stopfte sie in den bereitliegenden Jutesack.
»Ihr braucht mir nicht zu helfen, edle Jungfern«, wehrte Jonata halbherzig ab.
»Wir müssen es nicht, wir tun es aber. Die Arbeit geht leichter von der Hand, wenn man sie gemeinsam erledigt.«
»Und wenn man ein Lied dabei singt«, fügte Casta hinzu und begann eine alte Weise zu summen. Engelin erkannte sie und fiel mit ein. Dann fand auch Jonata ihre Stimme, und gemeinsam sangen sie vom schönen Mai, den Blumen und dem Vogelsang. Der Domgraf blieb im Hof stehen und lauschte ihnen, van Dyke lächelte seiner Tochter zu, und Ida brachte ihnen eine Kanne Most zur Belohnung.
»Ein hübsches Lied«, sagte sie. »Der Burgherr hat es damals oft gesungen, nicht wahr, edles Fräulein?«
Ida nahm die fertigen Hühner und trug sie in die Küche. Casta erklärte: »Und Meister Hardo hat es neulich auf der Flöte gespielt.« Sie nahm einen Schluck von dem süßen Getränk. »Er kennt viele Lieder. Aber ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass er früher, als er noch hier gelebt hat, gesungen hätte.«
»Hat er auch nicht.«
Engelin gab sich mit Jonatas kurzer Antwort nicht zufrieden.
»Ich dachte, er hat Euch ein Ständchen gebracht. Oder war das die Freiheit des Dichters, dass er es so berichtete?«
Jonata rupfte wütend an dem nächsten Huhn, schwieg aber.
»Als ich ihn kennengelernt habe, hatte er noch eine schöne, reine Stimme«, lockte Engelin sie.
»Ja, hatte er.«
»Du glaubst auch nicht, dass er blöde ist wie sein Bruder und uns ermorden wird, nicht wahr, Jonata? Erinnerst du dich an ihn?«
»Ja, Fräulein Casta. Aber er war nicht sehr klug.«
»Nein, klug war er damals wahrscheinlich nicht. Er hat ja nichts gelernt.«
»Du hast ihn verspottet, als er für dich sang.«
»Ja, das habe ich getan.«
»Aber er wollte dich beschützen, als der schwarze Ritter die Burg angriff.«
»Und hat mich dabei in seinem Ungeschick die Stiege hinuntergeworfen. Ich habe mir das Bein gebrochen.«
»Das trägst du ihm heute noch
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