Das Spiel des Saengers Historischer Roman
lassen? Wie lange noch freiwillig Fronarbeit leisten? Was in den Städten geschehen war, würde irgendwann auch auf das Land übergreifen. Dort, wo Handwerker und Händler die Geschicke der Verwaltung selbst in die Hand nahmen, erwuchs ihnen ein neues Selbstbewusstsein. Und auch die Niederlage König Wenzels im August vor vier Jahren war ein Zeichen der neuen Zeit. Man stelle sich vor, der König von Gottes Gnaden wird von den Kurfürsten abgewählt, und der Papst muss zähneknirschend zustimmen.
Gut, die Königswahl in Lahnstein, die würde eine schöne Kulisse für die Geschichte am heutigen Abend abgeben.
Ich ließ meinen Blick zu dem Waldgebiet wandern,
das hinter den grünenden Äckern begann. Der Bannwald, der Königsforst, war der Hort meiner frühen Jahre, meine Schule, mein verwunschenes Land. Ich verspürte auch jetzt den unbändigen Wunsch, mich auf mein Pferd zu schwingen und dorthin zu reiten. Zuflucht zu suchen vor den Anfeindungen, die mir entgegengeschlagen waren. Andererseits - auch der Frieden dort war nun gestört worden durch die hinterhältige Tat des Burgvogts. Er hatte mich erkannt und umgehend meinen Tod beschlossen. Oder es hatte ihn jemand gedungen, mich mundtot zu machen.
Die Jahre, die vergangen waren, hatten mir viele Antworten zu den Vorgängen auf der Burg geliefert, aber genauso viele Fragen aufgeworfen. Warum Eberhart sterben musste, war noch immer nicht geklärt. Ich war wachsam, aber ich hatte auch Angst. Nicht vor einem offenen Kampf, sondern vor der Heimtücke des wahren Mörders.
Er weilte in dieser Burg, dessen war ich mir ziemlich sicher.
Er hatte Geduld und würde auf einen günstigen Zeitpunkt warten.
Wie ich Überraschungen hasste!
Sicher, nach außen hin wahrte ich meine gleichmütige Haltung. Das hatte ich mit den Jahren gelernt. Es hinderte mich auch nicht, weiterhin meine Ziele zu verfolgen, meine Geschichten zu weben, meine Lieder zu singen. Aber ich musste auch dabei aufpassen, denn manche Stacheln saßen tief, und ihr Gift brannte immer noch in meiner Seele. Und dieses Gift mochte in unbedachten Worten seinen Weg über meine Lippen finden.
Es war ein Kampf gegen Schatten, den ich führte, und mein Gegner hielt sich im Verborgenen auf.
Zeit, sich den Schatten zu stellen, um sein Gesicht zu enthüllen.
Einer der giftigen Stacheln, der besonders schmerzte, war der ständige Streit zwischen meinem Vater und Burgherrn Eberhart, bei dem es um mich gegangen war. Ich wusste,
dass sie meinetwegen einige Male hart aneinandergeraten waren, aber ich hatte nie ganz verstanden, warum sie sich stritten. Ich war dumm und faul gewesen - so hatte es mein Vater gesehen. Und ich war unter einem Unstern geboren, der meinen Lebensweg vorgab und mich auf Abwege führen würde. Herr Eberhart aber betrachtete es offensichtlich anders. Er glaubte daran, mich vor mir selbst retten zu können. Damals sah ich das allerdings nicht so, sondern war der Meinung, dass auch er mich nur drangsalieren wollte. Er zwang mich, die Schule zu besuchen, was mir nicht gefiel. Mein Vater schickte mich zu dem Küfer in die Lehre und verschwand auf einem Feldzug. Als er zurückkam, gab es wiederum einen Streit, den ich mitbekam - der Burgherr wollte, dass ich die Lehre abbrach und als Adlatus des Burgvogts tätig werden sollte. Mein Vater hielt mich aus den üblichen Gründen nicht für geeignet. Sigmund auch nicht. Heute war mir klar, warum. Er hatte keinen eigenen Sohn, und Eberhart wollte mich zu seinem Nachfolger machen. Das konnte dem Vogt natürlich nicht gefallen, und so ließ er keine Gelegenheit aus, mir meine Unfähigkeit zu beweisen und mich den anderen vorzuführen. Er stellte mir unmögliche Aufgaben, verdrehte, was immer ich richtig machte, zu Fehlern, blähte jedes Missgeschick zu einer Katastrophe auf und wurde nicht müde, meinem Vater Beweise für meine Tölpelhaftigkeit zu liefern.
Sein Hass auf mich musste gewaltig gewesen sein. Hass oder Eifersucht. Heute wollten mir einige Zufälle auch noch in einem ganz anderen Licht erscheinen. Beispielsweise, dass ich einmal von genau dieser Stelle aus in den Burggraben gefallen war. Hätten nicht anhaltende Herbstregen den Graben anschwellen lassen und hätte ich nicht von den Fischerjungen am Rhein das Schwimmen gelernt, ich wäre mit Sicherheit ertrunken. Wer mich gestoßen hatte, wusste ich nicht, ich vermutete damals einen Jungenstreich dahinter. Ebenso wie hinter den Ereignissen an jenem schrecklichen Nachmittag, an dem ich im
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