Das Spiel des Saengers Historischer Roman
Räucherhaus eingesperrt
und nur dem Erstickungstod entkommen war, weil Ida noch einen Schinken hatte hineinhängen wollen.
Immer wieder prügelte mich der Burgvogt wegen meiner Ungeschicklichkeit, und immer wieder floh ich in die Wälder und vernachlässigte meine Pflichten. Dumm und faul, unzuverlässig, blöde, von Missgeschicken verfolgt - so sahen sie mich. Und allmählich glaubte wohl auch Eberhart diese Mär.
Ich war aber nur der Prügelknabe - buchstäblich. Hinter all dem Hass musste ein auslösendes Erlebnis gesteckt haben.
Eine klamme Hand griff nach meinem Herzen.
Was wusste Ida, die Frau des Burgvogts, darüber?
Warum hatte sie an dem zweiten Abend unter Tränen um
Vergebung ihrer Sünden gefleht? Musste ich wirklich nun auch die Frau verdächtigen, die mich in meinem damaligen Elend immer getröstet hatte?
Nein, ich war noch nicht so weit, in ihr kaltherzig die Mittäterin oder Mitwisserin zu sehen.
Eine Amsel landete auf der Zinne und zwitscherte eine kleine Melodie. Ich bedauerte, meine Flöte nicht bei mir zu haben. Dennoch freute ich mich, dass das Vöglein gekommen war, um mich von den trüben Überlegungen und Erinnerungen abzulenken. Die Zeit war vorüber, ich war nicht mehr der dumpfe Tropf, als den man mich auf dieser Burg hier kannte.
Außer für einige wenige.
Allerlei Fundstücke
Ida hatte Ismael einen eisernen Reif übergeben, an dem gut ein Dutzend Schlüssel hingen. Er hatte von ihr auch einen Korb mit Gebäck und einen Krug Most erbeten, sodass er nötigenfalls immer die Ausrede hatte, jemandes Bitte um
eine Erfrischung zu folgen. Er machte sich frohgemut auf die Suche nach der Laute, die Hardo entwendet worden war. Das Tribunal war glimpflich verlaufen, und seine innere Beklemmung war seiner üblicherweise sonnigen Laune gewichen.
Den größten Verdacht hegte er dem duftenden Höfling gegenüber, der am Vortag eine herbe Demütigung durch Hardo und ihn erfahren hatte. Also betrat er den Bergfried und kletterte die hölzernen Stiegen empor. Es war verhältnismäßig einfach, Lucas’ Kammer zu finden, er musste nur seiner Nase folgen. Er fand dessen Unterkunft auf der obersten Ebene, just unter dem überdachten Söller mit seinen Zinnen. Er stellte seinen Korb ab und lauschte auf Anzeichen menschlicher Anwesenheit, doch weder Gespräche noch leises Atmen oder gar Schnarchen war zu hören, also trat er durch die Tür, die lediglich angelehnt war.
Mit geübtem Blick sah er sich um und bemerkte auch sogleich die lohnenswerten Objekte wie beispielsweise die kostbaren Ambrakügelchen in ihren silbernen Gefäßen, eine goldene Gewandnadel mit dem Karfunkelstein und einen Beutel mit den Münzen in der Truhe. Doch so sehr es ihn in den Fingern juckte, blieb er doch tugendsam und hielt nur nach der Laute Ausschau. Die allerdings befand sich weder unter der samtbesetzten Heuke noch unter der rauen Decke auf dem Strohlager auf der einen Seite. Also nahm er sich das zweite Lager vor, das offensichtlich dem gelehrten Doktor Humbert zugewiesen worden war. Die schmutzigen Gedanken, die ihm bei dem Umstand durch den Kopf schossen, dass der Liebhaber schöner Männer hier ausgerechnet mit dem eitlen Höfling zusammenhauste, schob er auch flugs beiseite und untersuchte die Habseligkeiten des Gelehrten. Der verfügte über keine nennenswerten irdischen Güter außer einem sonderbaren Kästchen, das er unter seinem Kopfpolster verborgen hatte. Neugierig hob Ismael es hoch, lauschte vorsichtshalber noch mal zur Stiege hin, und als er alles als ruhig befand, untersuchte er das Behältnis aus
dunklem Holz, in das seltsame Zeichen in Elfenbein und Perlmutter eingelegt waren. Eine kostbare Arbeit, die den Verdacht aufkommen ließ, dass es etwas mindestens ebenso Kostbares enthalten müsse. Doch als seine sensiblen Finger den Öffnungsmechanismus erspürt und ihn mithilfe seines spitzen Dolches geöffnet hatten, war er aufrichtig enttäuscht. Lediglich ein faustgroßer, metallisch schimmernder Stein oder Erzklumpen lag da auf roten Samt gebettet. Er war zwar schwer und lag kühl in seiner Hand, aber etwas wirklich Besonderes war er nicht. Außer vielleicht, dass die Oberfläche einige regelmäßige Gravuren enthielt, die aber kein ihm bekanntes Muster bildeten. Ismael legte ihn zurück, schloss das Kästchen wieder und schob es an seine Stelle unter dem Kopfpolster. Dann nahm er seinen Korb wieder auf und kletterte eine Etage tiefer.
Auch hier waren die Bewohner ausgeflogen, und obwohl Ismael weder
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