Das Spiel des Saengers Historischer Roman
nach?«, fragte Engelin.
Jonata hatte den Kopf gesenkt. Jetzt schüttelte sie ihn.
»Nein. Er hat’s gut gemeint.«
»Und hat dich und seine Mutter zu einem Pächter gebracht.«
»Ja.«
Engelin sah plötzlich einen Zusammenhang.
»Zu Cuntz, nicht wahr?«
Jonata nickte und rupfte.
»Der hat Euch gesundgepflegt. Und dann habt Ihr ihn geheiratet.«
»Ja.«
Engelin nahm das letzte Huhn, ließ es aber in ihrem Schoß liegen.
»Er ist ein grober Klotz, der Cuntz.«
Jonata zuckte mit den Schultern.
»Dass Ihr heute für Meister Hardo Stellung genommen habt, wird er Euch übelnehmen.«
»Hat er schon.«
Casta machte den Mund auf, um etwas zu sagen, aber Engelin deutete ihr an zu schweigen. Eine Weile arbeiteten sie still vor sich hin, dann brach es aus Jonata heraus: »Ich war die Dumme, damals. Ich hätte seinem Werben nicht nachgeben sollen. Er ist ein Großmaul, der Cuntz, und verspricht immer mehr, als er halten kann. Es hat auch andere Bewerber gegeben. Ein anständiger Goldschläger drüben aus Köln wollte mich zum Weib und ein Weinbauer auch. Aber ich dachte, ich bin auf dem Gut näher bei meiner Mutter. Und dem Vater war der Cuntz genehm.«
»Was hat er gegen Meister Hardo?«
»Weiß ich nicht. Aber er mochte dessen Vater nicht. Ich glaube, die beiden hatten einen Streit um Gerwins älteste Tochter.«
»Worum ging es?«
»Cuntz hat um sie angehalten, hat mir seine Mutter erzählt. Aber Gerwin wollte höher hinaus. Sie hat dann ja auch einen Apotheker geheiratet. Aus Jülich.«
»Das ist doch üblich, deswegen streitet man doch nicht.«
»Cuntz schon. Er kann es nicht ertragen, wenn ihm etwas verwehrt wird. Er bildet sich dann immer ein, man würde ihn nicht genügend achten. Es ist ganz furchtbar. Er macht so viel falsch, aber man darf ihm nie sagen, dass
es seine Schuld ist, wenn der Fuchs in den Hühnerstall kommt, weil er die Tür offen gelassen hat, oder das Schaf beim Lammen stirbt, weil er sich nicht gekümmert hat, oder der morsche Ast durch das Dach bricht, weil er ihn nicht abgesägt hat.«
Engelin tätschelte Jonatas Schulter, als sie aufschluchzte.
»Ich wär sogar bei der Geburt meines Zweiten fast gestorben, weil er die Hebamme nicht geholt hat, sondern mit den Fischern in der Schenke saß.«
»Aber du hast vier gesunde Kinder, nicht wahr?«, sagte Casta in sanftem Ton.
»Ja, die hab ich. Und sie sind es wert, dass ich ihn ertrage.« Sie wischte sich mit dem Ärmel die Tränen ab. »Aber wenn ich Hardo heute sehe, edles Fräulein, dann denke ich, ich hätte ihn besser erhört.«
»Er ist eine Augenweide geworden, nicht wahr?«
»Pfff!«, machte Engelin.
»Doch, edle Jungfer, damit hat Fräulein Casta recht. Und auch wenn seine Stimme heute rau ist, singt er so schön, und mir gehen seine Lieder zu Herzen. Was ist schlimm daran, wenn ein Mann die Gaben, die der Herr ihm verliehen hat, auch vorzeigt? Wir Frauen tun es doch auch. Wir schmücken unsere Haare mit Kränzen und schnüren unsere Gewänder eng um den Leib.«
Betroffen dachte Engelin an die wundervollen Kleider, die sie gerade eben aus der Truhe befreit hatten. Darum hielt sie weiter den Mund und ließ Jonata reden.
»Ich finde Meister Hardo und den Jungen viel hübscher anzusehen als Cuntz mit seinem Schmerbauch in seinem schmuddeligen Kittel oder den feisten Kaplan mit seiner roten Säufernase oder den rundschultrigen Domgrafen.«
»Dann müsste dir auch der hübsche Höfling gut gefallen«, forderte Casta sie mit einem kleinen Lachen heraus.
»Der? Der ist kein Mann. Der ist ein hohles Ei, auch wenn er in prächtigen Gewändern herumstolziert.«
»Nun, darin sind wir uns einig!«
Das letzte Huhn hatte seine Federn gelassen, und Engelin stand auf.
Ein Mann war Hardo Lautenschläger gewiss geworden. Und eine Augenweide leider auch.
Aber trauen konnte man ihm nicht.
Ihm und seinen schönen Worten.
Und der samtrauen Stimme.
Und roten Rosen.
Und so.
Vergangene Leiden
Ich hatte mich mit einer von Idas Pasteten auf den Wehrgang zurückgezogen und schaute nach Osten über das Dörfchen hinweg. Eine beschauliche Ansiedlung von Katen und Häuschen, Gemüse- und Weingärten, Stallungen und Scheunen, einer Kirche mit einem Holzturm. Seit der Wanderprediger samt Schweifstern davongezogen war, hatten sich die Gemüter auch wieder beruhigt. Obwohl die Saat für künftige Änderungen auch hier schon im Boden lag. Wie lange mochten sich die Menschen von derartigen Prophezeiungen noch in Angst und Schrecken versetzen
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