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Das Spiel des Saengers Historischer Roman

Titel: Das Spiel des Saengers Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Gemach im Keller der Burg, bekamen zwei Mahlzeiten am Tag, und dann und wann durfte ich auch einen weiteren Raum betreten.
    Der Winter ging in einen kühlen Frühling über, die Abende wurden länger, die Vögel sangen vor meiner Fensternische.
    Ich hatte wenig Freude daran.
    Dann aber, eines Nachmittags, öffnete sich die verschlossene Tür unseres Gemachs mit einem leisen Knarren, und nicht der Taubstumme mit Brot und Wasser trat ein, sondern ein wohlgewandeter Herr, der verstohlen die Schweigegeste machte.
    Überflüssig bei mir, doch Ismael wollte zu reden beginnen.
    »Beeilt euch!«, flüsterte der Mann.
    »Er kann nicht gehen«, erklärte Ismael.
    Der Fremde nickte, bückte sich und warf mich über seinen Rücken wie einen Lumpensack. Ich wehrte mich nicht. Als wir durch den Gang schritten, bemerkte ich zwei Gewappnete, die laut schnarchend an der Wand lehnten. Draußen wartete ein zweiter Mann, der mich geschwind in eine Decke hüllte, sodass ich nichts mehr sehen konnte. Ich spürte aber, wie ich über den Rücken eines Pferdes gelegt wurde und sich das Tier dann in Bewegung setzte.
    Ich erwachte wieder in einem hellen Raum, in einem gepolsterten Bett, eine weiche, saubere Decke über mir
und ein Krug mit süßem, gewürztem Most auf einem Tisch. Ismael, gewaschen und in frischen Kleidern, saß auf einem Schemel und begann, sowie er meine geöffneten Augen sah, zu reden. Und so erfuhr ich, dass wir uns im Haus eines angesehenen Tuchwebers in Lahnstein befanden, zu dem uns jener Mann gebracht hatte. Der war, und das wollte mir wie ein Wunder erscheinen, ein Sänger und Dichter, dessen Ruf an allen Fürstenhöfen gerühmt wurde. Er hatte davon erfahren, dass ein begabter Kollege widerrechtlich gefangen genommen worden war - so drückte sich Ismael aus -, und hatte versucht, bei dem Erzbischof meine Freilassung zu erwirken. Der aber hatte sich dieser Bitte verweigert, und so heuerte der Sänger Helfer an, und während der Burgherr sich auswärts aufhielt, hatten sie den Wachen einen betäubenden Trank verabreicht und uns dann über den Rhein gebracht.
    Ich hätte dem Sänger gerne gedankt, doch er blieb verschwunden. Allerdings hatte er für unseren Aufenthalt dem Tuchweber eine großzügige Summe bezahlt, und so verbrachte ich die nächsten drei Monate in einem mir bisher unbekannten Luxus.
    Der Sommer wärmte meine Glieder, die Sonne färbte meine fahle Haut, und dann und wann übte ich meine Finger an der Flöte, die ich mir geschnitzt hatte. Ismael und die Tuchmacherin brachten mir allerlei Neuigkeiten, und so erfuhr ich schließlich von dem Besuch der Kurfürsten und ihrem Gefolge.
    Ich hatte die Befürchtung, dass der Herr von Lahneck - Johann, Kurfürst von Mainz -, dessen Mannen mich im Herbst zuvor gefangen genommen hatten, mich wieder einkerkern könnte, aber offensichtlich hatte der Fürst keinen weiteren Gedanken an den erbärmlichen Räuber und seinen Begleiter zu verschwenden. Weit wichtigere Dinge standen an. Wimpelgeschmückte Zelte wurden rund um die Burg errichtet, Höflinge eilten mit gewichtigen Aufträgen zwischen ihnen und der Burg hin und her,
reich geputzte Damen versuchten, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, oder bildeten schwatzende Grüppchen.
    Das alles beobachtete ich still, bewunderte die höfische Pracht, die Wappen und Banner, die Gewänder und Juwelen. Mich aber musterte man mit nachsichtigem Mitleid, einem heruntergekommenen Bettler gleich saß ich auf meinem Schemel in der Sonne neben der Kirche, nickte häufig ein und löffelte gehorsam den dünnen Brei, den mir Ismael reichte. Manchmal belustigte es mich, dass mir gutherzige Menschen kleine Münzen zuwarfen. Aber im Grunde war ich ihnen sogar dankbar. Das Los des unseligen Armen war mir bestimmt, zu schwach zum Arbeiten, stumm. Das Fatum hatte sich erfüllt, ich schickte mich drein.
    Nicht alle jedoch hatten Mitleid mit dem Elend. Einen Herrn beleidigte mein nutzloses Dasein zutiefst. Er herrschte mich an, meinen Schemel zu nehmen und zu verschwinden. Die Kirche würde von den hohen Herrschaften aufgesucht, die durch meinen Anblick nicht angeekelt werden sollten. Da ich noch nicht wieder schnell genug auf den Beinen war, half er mir unfreundlich nach, indem er mir einen herzhaften Tritt versetzte.
    Ich fiel in den Staub und erhielt einen weiteren Tritt in die Rippen, der mir den Atem raubte.
    Ismael hatte diesen rühmlichen Auftritt aus der Entfernung mitbekommen, er feilschte gerade mit einer Bäuerin um ein paar

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