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Das Spiel des Saengers Historischer Roman

Titel: Das Spiel des Saengers Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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schienen.
    Niemand erkannte mehr in mir den Räuber, den man einst ins Verlies geworfen hatte, und so genoss ich die edle Gesellschaft. Ich hatte einst auf meiner heimatlichen Burg Feste und Feiern erlebt, und auch wenn ich als Tölpel nicht daran teilnehmen durfte, so hatte ich doch fasziniert beobachtet,
wie die wohlgewandeten Gäste üppig bewirtet und von allerlei Künstlern unterhalten worden waren. Der Hofstaat der Fürsten jedoch war eine ganz andere Welt. Ich staunte und lernte und versuchte, mich ihnen anzupassen. Auch Ismael beobachtete und lernte flink von den Edelknaben das vornehme Gebaren. Wir ergötzten uns an den prunkvollen Gewändern und sahen darauf, uns ebenfalls höfisch zu kleiden. Auch die Badefreuden entdeckten wir, und gewandte Badermaiden brachten meine Haare zum Glänzen und legten sie in Wellen. Ja, sie schabten und zupften an meinem wirren Bart herum und gaben ihm seine elegante Form. Sie massierten meine wiedererstarkten Muskeln mit duftenden Ölen und leisteten mir auch ansonsten allerlei willige Dienste.
    Mein Ruf als Sänger verbreitete sich, mein Ruhm mehrte sich, und ich vergaß für eine Weile die Demütigungen der Vergangenheit.
    Doch eine war immer da und erinnerte mich auf störende Weise daran, dass ich auch einmal monatelang wie ein Landstreicher in den Wäldern gelebt hatte. Line in ihrem grauen Kleid klebte wie damals beständig an meinen Fersen. Es war offensichtlich leicht, der Obhut der Äbtissin zu entkommen, denn sie ging ihren eigenen Lustbarkeiten nach.
    Doch dann wurde der faule König Wenzel abgesetzt und Rupert von der Pfalz zum neuen Herrscher gewählt. Wir alle zogen nach Rhens, um zuzusehen, wie er auf dem Königsstuhl dort am Rhein die Krone empfing.
    Tage danach löste sich das Lager allmählich auf, die Zelte wurden abgebrochen, die Wagen beladen, die Pferde gesattelt.
    Line tauchte bei dem Tuchweber auf und bettelte, wir möchten sie verstecken, denn in das Kloster wollte sie nicht mehr zurückkehren. Ich disputierte mit ihr, haderte und zankte, aber sie blieb hartnäckig. Ich wollte mein neues Leben genießen, denn wenn auch viele der hohen
Herren abgereist waren, einige blieben noch, und in deren Gunst sonnte ich mich. Eine lästige kleine Kröte an meiner Seite konnte ich dabei nicht gebrauchen. Ganz abgesehen davon glaubte ich inzwischen auch nicht mehr, dass sie aus armem Hause stammte, zu gut waren ihr die Gebräuche der Vornehmen vertraut. Ich befragte sie nach ihrer Familie, doch dazu tischte sie mir jedes Mal eine neue Mär auf. Mal war sie die Tochter eines Prälaten, der sie nicht anerkennen wollte, mal die eines Hansekaufmanns, der sie verstoßen hatte, mal die eines Ritters, der verarmt gefallen war - was immer sie erfand, es schien keine Familie zu geben, zu der sie zurückkehren konnte. Dennoch mahnte ich sie, nicht das unstete Leben einer Dirne zu führen, und sie schlug mir vor, ich solle sie als mein Weib ausgeben. Ich brach daraufhin in schallendes Gelächter aus.
    Ismael schließlich half ihr gegen meinen Willen, andere Gewänder für sie zu besorgen und sie im Durcheinander des Aufbruchs in einer Fischerkate zu verstecken.
    Die Äbtissin reiste mit ihrem Tross ab, und Line, jetzt wie eine bürgerliche Jungfer gekleidet, schloss sich mir an und hatte dabei die Idee ausgeheckt, mich als meine jüngere Schwester zu begleiten.
    Ich konnte mich nicht mehr widersetzen, denn nach dem, was ich an der Äbtissin beobachtet hatte, war die junge, unschuldige Maid in ihrer Obhut auch nicht gut aufgehoben gewesen.
     
    Hier unterbrach ich meine Erzählung wieder und spielte zur Freude der Zuhörer die letzte Strophe des anzüglichen Liedchens von dem Ritter, der die Scheide für sein Schwert verloren hatte.
    »Er wollt sein Messer in die Scheide schieben;
Da begann die Klinge sich zu biegen
Bis wieder ganz ans Hefte
Doch stieß er rein mit all sein Kräfte.

    Sogleich hat er sie rausgezogen.
›Es hat ein schwarze Kräh gelogen:
wer hätte ihr das zugetraut?‹
›Zieh wieder; die Würze ist noch nicht gebraut!‹«
    »Die ehrwürdige Mutter hat rote Flecken in ihrem grauen Gesicht bekommen«, wisperte mir Ismael zu. »Und der Stiftsherr sieht schon die ganze Zeit so aus, als ob er aus Granit gemeißelt wäre. Und Herr Ulrich macht sich so seine Gedanken.«
    »Es werden schon die richtigen sein, er ist ja nicht blind.«
    »Zumindest nicht auf dem rechten Auge.«
    Das Geraune und Gelächter war verklungen, und ich setzte zu dem letzten Teil meiner

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