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Das Spiel des Saengers Historischer Roman

Titel: Das Spiel des Saengers Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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dass man sich auch nur einen einzigen eigenen Gedanken machen musste, nichts zu hinterfragen brauchte, sich nicht mit Gewissen oder Schuld belasten musste. Meine Mutter hatte mir das ad nauseam vorgelebt. Aber ich verbannte meinen Ärger darüber. Jetzt und hier aber standen andere Themen an, und als die Mägde die Tische abräumten, ging ich wieder nach vorne, um mich auf die Stufen zur Hohen Tafel zu setzen.
    Die Äbtissin hatte das Angebot, sich das Essen in die Kemenate bringen zu lassen, nicht angenommen. Sie schätzte wohl doch die Geselligkeit mehr als die fromme Einkehr. Aber sie presste missbilligend ihre Lippen zusammen, als ich mich vor der Tafel verbeugte.
    Ohne Zweifel war die Erwartung an meine Mär erheblich gestiegen, da nun allen bekannt war, dass ich selbst der junge Held war. Und auch mein anrüchiger Hintergrund mochte den Kitzel noch erhöhen.

    Gut, sie sollten etwas geboten bekommen. Schon mit dem ersten Teil des Auftritts. Denn nun kam Ismael in den Saal und durchquerte ihn zwischen den beiden Tischen in majestätischer Haltung, der kleine Strolch. Meine Laute hatte er aus dem Futteral genommen und trug sie wie den Heiligen Gral vor sich her. Er überreichte sie mir kniend und flüsterte: »Das Gesicht der ehrwürdigen Mutter leuchtet rot wie die Abendsonne.«
    »Es wird seine Farbe schon noch wechseln«, gab ich leise zurück und nahm das Instrument in die Arme, um einige Saiten zu zupfen, bis Stille eintrat.
    »Das Wunder der magischen Laute liegt darin, dass sie immer wieder zu dem Herrn zurückkehrt, der sie verdient«, erklärte ich dem Publikum. »Von ihrem Verlust und ihrem Wiederfinden will ich euch heute berichten.«
    Ismael schielte nach oben und wisperte: »Wird blass!«
    »Gut.«
    »Die Äbtissin und der Stiftsherr, Meister - ich hab nachgedacht. Das wirft ein ganz neues Licht auf die Ereignisse in Lahnstein, die Ihr sicher gleich besingen werdet, nicht wahr?«
    »Das wirft es, Ismael.«
    »Dann weiß es Eure Herrin auch.«
    »Ja, das tut sie wohl.« Ich dachte an ihre trockene Bemerkung, dass die, die im Kloster leben, ebenso fromm sind, wie Menschen, die im Kerker sitzen, Verbrecher sind.
    »Aber sie ist stolz, Meister.«
    »Ja, das ist sie. Still jetzt.«
    Ich hatte meine Melodie gesucht und spielte den fröhlichen Tanz einmal ohne Worte, dann sang ich dazu den Text, den Herr Neidhart einst gedichtet hatte:
    »Einst verlor ein Ritter seine Scheide.
Da tat er einer Dame also leide:
Sie sprach: ›Herr, ich will Euch eine leihen,
das wird mein leidiger Mann verzeihen.

    Es ist nicht lang, dass er sie verwarf.
Kommt nun ein anderer, der ihrer bedarf,
wie wohl ich daran handle,
geb ich sie ihm ganz ohne Handel.‹« 15
    »Jetzt ist sie grün geworden!«, wisperte Ismael.
    Das dachte ich mir.
Errettung aus der Unterwelt
    Ihr alle wisst nun, dass ich euch die Geschichte von Hardo, dem dummen Tropf von Langel, erzähle, der seinen Weg durch die Welt machte und dabei allerlei Fährnissen begegnete. Ja, ich habe gegen einen Lindwurm gekämpft und eine Laute gefunden, ich habe mich einer Räuberbande angeschlossen und bin in den Kerker von Burg Lahneck geworfen worden. Ja, ich habe einen jungen Taschendieb namens Ismael getroffen, der heute noch immer mein Begleiter ist und dem ich es verdanke, dass ich im Frühling des Jahres vierzehnhundert zur Burg Stolzenfels gebracht wurde.
    Ohne meine Laute.
    Das Jahr vierzehnhundert, wohledle Herrschaften, ist euch sicher noch allen in Erinnerung. Die Kurfürsten hatten wieder und wieder König Wenzel beschworen, den Landfrieden zu retten, die andauernden Konflikte zwischen den Städten und den Fürsten einzudämmen, die religiösen Spannungen im Lande zu mildern und die Auseinandersetzungen mit Italien zu beenden. Doch der König, ein schwacher, verweichlichter Mann, gab sich lieber seiner Trunksucht hin, schlimmer noch, er duldete und, ja, veranlasste grausame Morde an Ratsherrn und Klerikern. Er hat unter seinen Verwandten Ämter vergeben, sodass sie sich zum
Schaden des Reiches bereichern konnten, und war selbst ein Verschwender.
    Die Kurfürsten also, deren Bitten und Forderungen nicht erhört wurden, versammelten sich im Sommer jenes Jahres in Oberlahnstein, und dort wurde darüber beraten, wie man den faulen König Wenzel entmachten konnte.
    Von all dem wusste ich nichts, denn ich genoss die Gastfreundschaft Werners von Falkenstein, des Kurfürsten und Erzbischofs von Trier, auf seiner Burg Stolzenfels am Rhein. Ismael und ich bewohnten ein

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