Das Spiel des Saengers Historischer Roman
auch Seidenstoffe und dann und wann roten Wein.«
»Und als Tauschware bietet Ihr was an?«
»Lederwaren, Harnische. Die aus Kölner Werkstätten sind begehrt dort.«
»Habt Ihr ein Kontor in einer der italienischen Städte, van Dyke?«, wollte der Domgraf nun wissen.
»Zwei Handelsgesellen im Fondaco dei Tedeschi in Venedig, einen Kompagnon in Mailand. Ich selbst gehe nicht mehr gerne auf Reisen. Früher bin ich einmal im Jahr selbst auf Fahrt gegangen.« Und plötzlich sah er mich an. »Seid Ihr auf Euren Wanderungen auch bis nach Italien gelangt?«
»Ja, ich habe auch eine Weile in Venedig verbracht. Die Menschen dort sind sehr musikalisch«, antwortete ich mit einem kleinen Lächeln. Mehr brauchte den Handelsherrn im Augenblick nicht zu interessieren.
Die drei Jungfern am Tisch hatten schweigend gegessen, aber einmal, als ich von Venedig gesprochen hatte, war Engelins Blick zu mir geglitten, und in ihren Augen hatte ein überraschtes Funkeln gestanden. Vermutlich hätte sie gerne mehr über diese Zeit gewusst.
Sollte sie fragen, ich würde ihr antworten.
Aber nicht jetzt und hier.
Der Gelehrte, bisher schweigend, fing nun an, sich über die Universität von Bologna auszulassen, wo er einst die Astrologia studiert hatte und mit deren Mitgliedern er noch immer korrespondierte. Vor allem über die Frage, ob die Sterne nicht nur das materielle Geschehen in der Welt vorgaben, sondern auch das Schicksal des Menschen bestimmten.
Er legte in dozierender Weise seine unverrückbare Meinung dazu dar, und da alle anderen am Tisch offensichtlich nicht an das vorhersehbare Fatum glaubten, blieb seine Rede ein langatmiger Monolog.
Zunächst rauschte sein Vortrag an meinen Ohren vorbei, aber je mehr er sich ereiferte, desto mehr beschlich mich der Eindruck, dass Doktor Humbert sich mit seiner Meinung nicht nur Freunde gemacht haben konnte. Ich wusste wenig über ihn, den jüngeren Bruder des Burgherrn Eberhart. Ja, eigentlich konnte ich mich kaum an ihn erinnern, selbst wenn er hin und wieder auf der Burg zu Gast gewesen war. Eberhart war achtunddreißig gewesen, als der Tod ihn ereilte; er wäre jetzt achtundvierzig. Sein Bruder mochte ein oder zwei Jahre jünger sein. Wenn er in Bologna studiert hatte, dann vor zwanzig und mehr Jahren, zum Zeitpunkt meiner Geburt hatte er vermutlich bereits seinen Doktortitel erworben. Die Kölner Universität war aber erst dreizehnhundertachtundachtzig gegründet worden. In der Zeit zwischen seinem Aufenthalt in Bologna und Köln hatte er sich in Kleve aufgehalten, wie lange aber, das entzog sich meiner Kenntnis. Und wenn ich ehrlich war, wollte ich auch gar nicht wissen, was dieser Klugschwätzer im Einzelnen getrieben hatte. Wahrscheinlich hatte er sich Ärger eingehandelt. Denn die Beobachtung der Himmelskörper war zwar eine anerkannte Wissenschaft, aber die gängige, auch von der Kirche akzeptierte Meinung lautete, dass Sterne, die der materiellen Welt angehörten, lediglich die Materie beeinflussten. Nicht jedoch die immateriellen Bereiche des Lebens, die Vernunft, den freien Willen, die Seele, wie Doktor Humbert es darstellte.
»Quark!«, murmelte van Dyke einmal leise neben mir, als Doktor Humbert sich weitschweifig über den Einfluss Merkurs auf den Handel und die mit ihm beschäftigten Personen ausließ, und ich unterdrückte ein Lächeln. Van Dyke und ich glaubten beide an die eigene Verantwortung, die der Mensch für sein Leben hatte. Ein Mann, der sich erfolgreich
der Kaufmannstätigkeit widmet, ist es gewöhnt, die Fäden seines Tuns in der Hand zu halten. Weder die Glaubwürdigkeit eines Kompagnons, die Zahlungsfähigkeit eines Kunden oder die Ankunftszeit einer Handelskogge waren dem Horoskop zu entnehmen, darin waren wir uns vermutlich einig. Ich selbst war noch weniger geneigt, an die Macht der Planeten zu glauben, ebensowenig wie an die Unordnung, die Schweifsterne im Uhrwerk des Himmels verursachten. Königsmord, Krieg und Landesverrat wurden nicht von fernen Gestirnen gelenkt, sondern von Menschen verursacht. Lediglich bei Pestilenz, Überschwemmung und ähnlichen Naturkatastrophen würde ich vielleicht mit mir reden lassen.
Andererseits gab es eine große Menge Leichtgläubiger, die den Vorhersagen solcher Scharlatane wie Doktor Humbert ihr Ohr liehen. Denn wie einfach war es, das eigene Leben, und auch das der anderen, als ein vorhersehbares Zusammenspiel kosmischer Kräfte zu begreifen. Gut und Böse ließen sich auf diese Weise so schön bestimmen, ohne
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