Das Spiel des Saengers Historischer Roman
hatte wohl eine Beute erspäht, die seiner Kralle würdig war.
»Die eine oder andere, ja, Ulrich.«
»Beginnen wir mit Eurem frechen Lied.«
»Wie Ihr wünscht.«
Ulrich lachte leise. »Es war sehr böse. Die Äbtissin bekam Wallungen. Ich fragte mich nach dem Grund, Hardo, denn grundlos habt Ihr diese Verse nicht gewählt.«
Patta hatte die Maus entdeckt, die sich unter der Truhe versteckt hatte. Im Schein der Öllampe konnte sogar ich ihre Augen blinken sehen. Vollkommen regungslos saß der Kater vor ihr, doch in seinem Körper war jede Sehne, jeder Muskel gespannt.
Ich wies mit der Hand auf ihn, und Ulrich betrachtete ebenfalls das Geduldsspiel von Raubtier und Opfer.
Die Maus versuchte zu fliehen.
Ein Fehler.
Kaum hatte sie die schützende Unterkunft verlassen, schlug die Kralle zu.
Doch Patta tötete sie nicht mit einem Biss, sondern setzte sich auf die Hinterpfoten und ließ seine Beute wieder los. Die Maus, vermeintlich die Gelegenheit zur Flucht ergreifend, schoss auf die Bettstatt zu.
Sie kam nicht weit.
Patta schlug mit der Tatze zu und warf sein Opfer in die Luft.
»Ein grausames Spiel«, sagte Ulrich.
»Ein Machtspiel aus Geduld und Wissen. Die Maus kann gewinnen, wenn sie keinen Fehler macht.«
»Eure Maus hat einen Fehler begangen?«
»O ja. Ismael, deine Stunde naht. Berichte Herrn Ulrich,
was du erfuhrst, als du meine Laute wiedergefunden hast.«
Ismael schaffte es, trotz seiner untergeschlagenen Beine eine tiefe Verbeugung in meine Richtung zu machen. Dann gab er sich ganz dem Vergnügen hin, die Buhlerei zwischen dem Stiftsherrn und der Äbtissin wortgewaltig zu schildern. Immerhin war er Ehrenmann genug, Ännchens Rolle darin außen vor zu lassen.
»Sancta Maria!«, murmelte der Ritter, als Ismael seinen lustvollen Bericht beendet hatte.
»Was überrascht Euch mehr - die Unzucht der ehrwürdigen Mutter oder die Lüsternheit des Stiftsherrn?«
Ulrich schüttelte den Kopf, als wollte er ein paar lästige Bilder loswerden. Ismael hatte nicht mit blumigen Ausschmückungen gegeizt.
»Dass Margarethe von Fleckenstein ein vollblütiges Weib ist, habe ich eigentlich schon immer gewusst. Aber ich dachte, sie würde mehr Zucht beweisen, jetzt, da sie ein frommes Amt innehat. Und Anselm van Huysen … Er ist so ein trockener Furz! Nun ja, man weiß nie, was sich hinter der Maske verbirgt. Ihr habt sie ihnen jedoch mit einem ziemlich festen Ruck heruntergerissen.«
»Mit dem Ergebnis, dass sie nicht den Verwalter vom Turm gestoßen haben können.«
»Ah ja. Auch richtig.« Und nach einem tiefen Schluck aus seinem Pokal stellte er fest: »Sie hat Euch die Laute entwendet, in der Hoffnung, dass Ihr damit die Geschichte nicht weiter erzählt.«
»Ein weiterer Fehler und ein kurzsichtiger obendrein. Genau wie die Anklage, ich sei gemeingefährlich, weil mein Vater ein Mörder war. Und ihr Besuch in meiner Kammer gleich am zweiten Abend.«
»Bitte?«
»Erst dachte ich, sie suche mich auf, weil sie meinen köstlichen Leib begehrte, aber sie hatte es schon damals auf meine Laute abgesehen.«
»Warum Eure Laute?«
»Sie mag sie an etwas erinnern. Auch der Herr Eberhart wusste die Saiten zu schlagen.«
»Es wird ein Lied mit mehreren Strophen daraus, wenn man es so betrachtet.«
»Und die letzte ist noch nicht gesungen, Ulrich.«
»Ihr kennt sie?«
»Ein, zwei Zeilen.« Ich streckte mich und sah Patta einen Moment zu, der jetzt die Maus durch die Zimmerecken jagte. »Eberhart von Langel besaß ein kostbares Instrument, das aus der Hand jenes Lautenbauers stammte, den auch ich aufsuchte. Ich habe ihm als Junge manches Mal heimlich gelauscht. Vielleicht sind einige der Melodien, die mir später eingefallen sind, von ihm gespielt worden.«
»Schmerzliche Erinnerungen?«
»Wer weiß.«
In diesem Augenblick sprang Patta auf, biss zu, und die Maus hauchte mit einem letzten Quiekser ihr Seelchen aus.
»Meister der Auslassung - ich verstehe. Gestattet Ihr mir noch eine Frage?«
»Stellt sie; ich entscheide, ob ich sie beantworte.«
»Gewiss. Eure Stimme, Hardo. Wodurch verlort Ihr sie eigentlich?«
»Wollt Ihr das wirklich wissen?«
Ulrich sah mich an, und ich erkannte Verständnis in seinen Zügen.
»Ich habe mein Auge verloren und zahlreiche andere Wunden erhalten. Ich weiß, was Menschen Menschen antun.«
»Menschen schlagen sich in der Schlacht Wunden. Irrsinnige benutzen andere Menschen im Namen ihrer Wissenschaft.«
»Wie meint Ihr das nun schon wieder?«
»Werner von
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