Das Spiel des Saengers Historischer Roman
Geschichte an diesem Abend an.
Glaube, Liebe, Hoffnung
Der Aufenthalt bei dem Erzbischof und Kurfürsten von Mainz und dem anschließenden Verweilen bei dem Erzbischof und Kurfürsten von Trier hatte nicht nur mein Äußeres verändert, sondern auch meine Seele verwandelt. Ich hatte auf jenen zwei Burgen den Glauben verloren und war nun ein anderer Mensch. Die Reliquie, die meine Mutter mir zum Schutz meiner Gesundheit mitgegeben hatte, war in dem verrotteten Stroh des Kerkers verloren gegangen, mein Vertrauen in ihre Heilsamkeit an derselben Stelle geblieben. Den Glauben an die zauberischen Worte des Pattanosta hatte mir jener Gutsherr schon fast genommen, ihre Wirkung versagte vollends in dem Dunkel des Verlieses. Und auch das Gebet an Gottvater, das ich an seiner Stelle aufzusagen gelernt hatte, nützte mir nichts in jenen Tagen, die ich auf Stolzenfels verbrachte. Der Allmächtige hatte sich von mir abgewandt,
mein schäbiges kleines Dasein war es nicht wert, beachtet zu werden. Und so wandte auch ich mich von ihm ab.
In jenen Monaten aber hatte ich auch die Hoffnung verloren, die Hoffnung auf ein Leben in Freiheit, die Hoffnung auf Gerechtigkeit, die Hoffnung auf einen leichten Tod.
Immerhin, die Freiheit wurde mir wiedergegeben, als mein Retter uns aus der Gastfreundschaft des Trierers erlöste.
Nun hatte ich mein neues Leben als Sänger und wurde bewundert und geachtet. Dass ich meinen Glauben verloren hatte, bekümmerte mich wenig, denn mit ihm, so merkte ich nun, hatte ich auch sehr viel Angst verloren. Lindwürmer gab es nicht, Dämonen waren Einbildungen und böse Träume, Flüche nur billige Worte. Die düstere Prophezeiung, die an den Unglücksstern meiner Geburt geheftet war und die mein Leben überschattet hatte, schien sich als Trugbild zu erweisen. Gefährlich werden konnten mir nur Menschen aus Fleisch und Blut. Und gegen die hatte ich gelernt, mich zu wehren. Mit Taten, aber auch immer mehr mit Worten. Ich lernte den Spott einzusetzen, die Anspielungen und Andeutungen in den Dichtungen wurden mir immer klarer, die feinen Dolchstöße aus Sätzen und Reimen, Doppeldeutigkeiten und Hintergründigem lernte ich mit Geschick zu platzieren.
Und mein Lautenspiel vervollkommnete sich.
Daher erwachte auch das Vertrauen in die betörende Magie des Instruments wieder, denn die Bewunderung der Jungfern und Frauen wurde mir zuteil, wenn ich die Saiten rührte.
Und die Liebe erwachte. O ja, eine große, leidenschaftliche, verzehrende Liebe. Denn ich war einem wundervollen Weib begegnet. Dem schönsten unter Gottes Sonne, so wollte mir scheinen. Sie war im Gefolge des Burggrafen Friedrich von Nürnberg mit angereist, eine junge Witwe aus adligem Haus. Noch hatte sie mich keines Blickes gewürdigt,
denn der schmucke Höfling warb um sie. Eifersucht nagte an mir, und ich suchte, ihm zu gleichen. Ismael erwarb sich die Kenntnis, mein Haupthaar zu bürsten und zu flechten und meinen Bart aufs Feinste zu stutzen. Ich kaufte mir farbenprächtige Kleider und Federn für mein Barett, weiche Stiefel mit gebogenen Spitzen und kleinen Schellen daran, heftete bunte Seidenbänder an meine Ärmel und tränkte meinen Leib mit Rosenöl.
Ich besang die rotgoldenen Locken der Schönen, ihre rosigen Lippen, ihre weißen Hände und ihre Tugend. Ich kniete zu ihren Füßen und brachte ihr Blumenkränze und schließlich einen goldenen Ring. Ich spielte die süßesten Melodien auf meiner Laute, und sie betörte ihr Herz, genau wie man es ihr nachsagte.
Im Herbstmond wurde die Schöne mein.
Und ich verlor etwas, von dem ich bis dahin nicht wusste, dass ich es besaß.
Die Liebe.
Meine Finger spielten wie von selbst eine melancholische Weise, und irgendwo im Saal hörte ich ein ersticktes Schluchzen.
Man verließ den Raum an diesem Abend seltsam leise.
Nächtliche Gespräche
»Ihr seid ein Meister der Auslassung, Hardo.«
Ulrich goss uns den Wein ein und machte es sich im Sessel bequem.
»Ich erzähle, was für den Hergang der Ereignisse wichtig ist.«
»Und was Euch selbst betrifft, verschweigt Ihr. Mir aber drängen sich viele Fragen auf. Werdet Ihr mir die eine oder andere beantworten?«
Ich beobachtete den grauen Kater, der mit uns zusammen in mein Gemach geschlüpft war. Er schien sich hier auszukennen, denn unten in der Tür hatte ich schon gleich am ersten Tag eine Aussparung bemerkt, die vermutlich den Burgkatzen als Einschlupf diente. Mäuse gab es schließlich überall. Patta achtete nicht auf uns; er
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