Das Spiel des Saengers Historischer Roman
Falkenstein, Ulrich, ist ein leidenschaftlicher Alchimist. Er war fest davon überzeugt, dass er die
Seele eines Menschen extrahieren könne. Und da er davon ausging, dass er sie einfangen könne, war ich ihm ein willkommenes Opfer. Ein Sänger musste doch wissen, wie er seine Seele in seinen Gesang zu legen hatte. Doch Singen alleine, Ulrich, förderte meine Seele nicht zu Tage, auch als ich Stunden um Stunden meine Lieder vorgetragen hatte. Also versuchte er es mit dem Schreien. Er sorgte auf kundigem Weg dafür, dass ich mir die Seele aus dem Leib schrie.«
»O Gott.«
»Er hat sie nicht eingefangen, Herr Ulrich, aber mein Meister hatte seine Stimme verloren. Und er war blutig und schwach und konnte sich kaum mehr bewegen. Ich war … sehr unglücklich … damals. Denn ich hatte doch die Mär von dem berühmten Sänger aufgebracht.«
»Ismael, ich glaube nicht, dass Hardo dir die Schuld an Wahnsinn und Folter gibt. Du hast zu ihm gestanden, und das alleine zählt.«
»Ich hab zu ihm gestanden, weil er mir versprochen hat, mir meinen Verlust zu ersetzen.«
»Du hattest Verluste durch Hardo erlitten?«
Ich lächelte Ismael an. Wenn er es so darstellen wollte, na gut. Ich erklärte es.
»Ismael hatte bei den Räubern einen kleinen Schatz gehortet, weil er sich beizeiten von ihnen trennen wollte, um sein eigenes Leben zu führen. Dadurch, dass wir bei dem Überfall auf den Händlerkonvoi bei Neuwied durch meine Schuld aufgerieben worden waren, hatte er sein Erspartes verloren. Ich versprach ihm, sobald wir frei wären, ihm den Weg für ein anständiges Dasein zu ebnen.«
»Ja, ja, Loyalität kann man kaufen!«, meinte Ulrich trocken.
»Ein Mann muss an seine Zukunft denken«, sagte Ismael grinsend.
»Wohl wahr. Und wie sieht die deine aus?«
Der Junge sandte mir einen fragenden Blick. Ich nickte. Einen kurzen Moment zögerte er, öffnete den Mund, schloss
ihn wieder. Machte dann noch einmal eine Verbeugung in meine Richtung.
»Das hängt von Meister Hardo ab, Herr Ulrich.«
Ulrich verbeugte sich ebenfalls, aber in Ismaels Richtung und meinte: »Ein Diplomat.«
»Ein Mann mit vielen Talenten.«
»So wie Ihr auch. Ich werde Euch jetzt besser nicht nach Euren zukünftigen Plänen fragen, denn eine Antwort darauf erhalte ich nicht.«
»Ein kluger Mann weiß, wann er zu schweigen hat.«
»In dieser Angelegenheit. In einer anderen nicht - eine Frage stelle ich Euch noch, Hardo, obwohl ich die Antwort, glaube ich, schon kenne.«
»Dann vergewissert Euch.«
»Eure Line - heute ist es die Jungfer Engelin, nicht wahr?«
»Eine kleine, lästige Kröte.«
»Lügner.«
»Eine Frage der Darstellung.«
Ismael fuhr auf und starrte den Ritter an. Er hatte offenbar gerade eine Erkenntnis gehabt. Ich hatte bisher diese Verknüpfung noch nicht angesprochen, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis sein reger Verstand auch hier zu einem Schluss kam.
»Ihr stellt verdammt viele Fragen, Herr Ulrich, aber Ihr solltet meinem Meister jetzt endlich mal erklären, was Ihr der Jungfer Engelin angetan habt!«
»Er weiß es vermutlich schon.«
»Nein, Ulrich, obwohl ich mir gewisse Gedanken gemacht habe. Sie ist vor Euch geflohen. Ihr müsst ihr - wie auch mir - große Angst eingejagt haben.«
Der Ritter seufzte.
»Euch wollte ich erschrecken, bei ihr lag es mir fern. Und es tut mir unendlich leid, dass es so kommen musste, wie es kam.«
»Ein Teil meiner Vorbehalte gegen Euch, Ulrich, liegt in Eurem Verhalten ihr gegenüber begründet.«
»Was ich verstehen kann. Aber ich bin Jungfer Engelin nie zu nahe getreten, das schwöre ich Euch.«
»Hätte ich heute noch immer geglaubt, was sie mir berichtet hat, Ihr hättet inzwischen auch Euer gutes Auge eingebüßt. Also, was hat sie zur Flucht veranlasst?«
»Meine Werbung um sie.«
So ähnlich hatte ich es mir schon zusammengereimt.
»Ihr hattet nach der Kleverhammer Fehde Eure Burg verloren und damit auch Euer Einkommen. Eine großzügige Mitgift hätte Euch helfen können.«
»Stimmt, aber es gehörten zwei dazu, Hardo. Auch einer, der die Mitgift als Lockvogel einsetzt. Ich lernte van Dyke bei dem Kölner Erzbischof kennen. Ihr wisst, er wickelt Geschäfte mit ihm ab.«
»Er gibt ihm Kredite, von denen er nie wieder einen Heller sehen wird.«
»Er nennt es Investition, und er kann es sich leisten.«
»Natürlich.«
»Er ist ein ehrgeiziger Mann, der van Dyke, und er will seinen Einfluss auch über den Adel geltend machen. Weshalb er seine Tochter gerne in
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