Das Spiel des Saengers Historischer Roman
schmucken Lucas. Der ist für jede Schmeichelei zu haben. Je dicker sie aufgetragen ist, desto besser.«
»Dann fährt mir Loretta in die Haare!«
»Und Ulrich muss dich retten«, kicherte Engelin.
»Glaubst du …?«
»Ich weiß es nicht, aber ich an deiner Stelle würde versuchen, es herauszufinden. Ännchen hat die Gewänder gerichtet, Casta. Wir werden morgen eines von den schönsten für dich auswählen. Sehen wir mal, ob der einäugige Ritter nicht doch noch zu blenden ist.«
»Ich könnt’s versuchen. Aber jetzt bin ich müde, Engelin. Wir müssen morgen früh wieder Brote backen.«
»Und den Brei anbrennen lassen.«
»Du, nicht ich.«
»Pah!«
Der sechste Tag
Das Glücksrad reißt in raschem Lauf
Fallende ins Dunkel,
einen andern trägt’s hinauf:
hell im Lichtgefunkel.
Thront der König in der Höh
wird des Sturzes inne!
Unterm Rad liegt Hekuba,
eh’dem Künniginne!
Väterliche Inquisition
Während der Morgenandacht war die Stimmung bereits angespannt, Magister Johannes verhaspelte sich ein paarmal bei seinen Litaneien, die Äbtissin jodelte schriller als sonst, van Dyke sandte mir wütende Blicke, was mich kurzfristig verblüffte, denn beim Abendmahl zuvor hatte er sich ausgesprochen jovial gegeben. Casta wirkte zappelig, Engelin ebenfalls unruhig, Ida und Jonata vergrämt. Auch zwischen den Übrigen war Reizbarkeit zu spüren. Sie wurde auch nicht gemildert, als der Ritter der Gemeinschaft ankündigte, lediglich Jonata und der Hofherr Lucas van Roide hätten noch nicht befriedigend nachweisen können, wo sie sich zum Todeszeitpunkt des Burgvogts Sigmund aufgehalten hätten, und Hinrich van Dyke und seine Tochter Engelin müssten ihn noch überzeugen, dass sie sich nicht oben auf dem Turm aufgehalten hätten, sondern in der Kammer des Handelsherrn. Man marschierte äußerst schweigend auseinander, jeder in tiefes Sinnen versunken. Immerhin waren
alle, die von dem Verdacht des Mordes befreit waren, zuvor der Unzucht gerügt worden, und einige der Herrschaften machten sich wohl höchst eindringlich Gedanken darüber, wer sie wohl bei ihrem unkeuschen Tun beobachtet hatte und welche Folgen das zeitigen würde. Andere wiederum waren sicher ins Grübeln über meine Rolle in der Gemeinschaft gekommen.
O weh, die Lage wurde brenzlig.
Ich sah, wie Ulrich den Kaplan daran hinderte, die Kapelle zu verlassen. Vermutlich würde er ihn wegen des Geheimgangs zur Rede stellen. Ich spürte noch einmal van Dykes zornigen Blick in meinem Rücken und beschloss, mit Ida über Blumen für die Kapelle zu sprechen.
»Das sollten besser die Jungfern übernehmen, Meister Hardo«, sagte sie. »Aber wenn Ihr unbedingt im Schmutz wühlen wollt, dann bringt den Lichhof in Ordnung. Dort muss Unkraut gerupft, und die Rosen müssen gegossen werden. Früher habt Ihr das gerne gemacht.«
»Eine ausgezeichnete Idee.«
Ich verneigte mich vor ihr, haspelte einen Eimer Wasser aus dem Brunnen und begab mich zu dem kleinen ummauerten Friedhof, um dem Handelsherrn die Möglichkeit zu schaffen, das Gespräch mit mir zu suchen. Inzwischen war mir nämlich die Ahnung gekommen, dass sein Töchterchen ihn möglicherweise über bestimmte Aspekte ihrer Wanderjahre im Dunkeln gelassen hatte. Und der gestrige Teil meiner Geschichte mochte ihm da einige neue Erkenntnisse beschert haben.
Ich fand eine Hacke und einen groben Weidenkorb und kniete mich nieder, um die Erde unter den Rosenbüschen zu lockern und allerlei wild rankendes Grünzeug zu entfernen. Lange brauchte ich dieser Arbeit nicht nachzugehen; van Dyke warf kurz darauf seinen Schatten über mich.
»Meister Hardo«, grollte er und machte Anstalten, mich am Kittel zu packen.
Ich erhob mich geschwind, um mich mit ihm auf gleicher Höhe zu unterhalten.
»Wohledler Herr?«
»Ihr habt mir Rechenschaft abzulegen. Und zwar auf der Stelle, Lautenschläger.«
»Selbstverständlich.«
»Mimt hier nicht den aalglatten Zieraffen. Was habt Ihr meiner Tochter angetan?«
»Ich habe die Jungfer Engelin stets mit Achtung behandelt - was sie leugnen wird, weil sie die Bezeichnung Kröte nicht besonders schmeichelhaft fand.«
»Hört auf mit dem Geschwätz!«
Er packte mich am Ausschnitt meines Hemdes und schüttelte mich.
Ich gestattete es ihm erst einmal. Die Hacke ließ ich aber vorsichtshalber fallen. Ich wollte einem zu Recht wütenden Vater ja nicht wehtun.
»Was soll ich Euch denn erzählen, Hinrich van Dyke?«
»Ihr habt mein Kind dazu verführt, monatelang mit Euch alleine
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