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Das Spiel des Saengers Historischer Roman

Titel: Das Spiel des Saengers Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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mich ein lauter Schrei von meiner stillen Arbeit auf.

Blumen für die Heiligen
    Patta hatte Freundschaft geschlossen. Er fand großen Gefallen daran, dass Engelin ihn nach einem langen Bastfaden haschen ließ, den sie eigentlich dazu verwenden wollte, die Blumen zu Kränzen zu winden, um die Kapelle damit zu schmücken. Einen ganzen Korb hatte sie gepflückt, die meisten im Obstgarten, wo Ida sie stehen gelassen hatte. Im Küchengarten duldete sie nur Kräuter und Gemüse, keine weißen Margeriten oder Lichtnelken, keine gelben Schlüsselblumen oder Löwenzahn, keine blauen Glockenblumen oder Vergissmeinnicht, keine roten Wicken oder Rosen. Hier aber gediehen sie im Schatten der Bäume oder in der Wärme der schützenden Mauern, um den Wassertrog herum oder zwischen den Halmen der Gräser.
    Das Blumenpflücken hatte Engelin einigermaßen beruhigt, denn schon vor der Morgenandacht hatte sie noch einmal eine Auseinandersetzung mit ihrem Vater auszustehen gehabt, die nur knapp an einer Inquisition mit Daumenschrauben und Streckfolter vorbeiging. Ob Hardo ihr die Ehre geraubt habe, das war sein dringendstes Anliegen. O Gott, sich dem Vater gegenüber in solchen Dingen rechtfertigen zu müssen, das war schlichtweg entsetzlich. Vor allem, weil er einfach nicht glauben wollte, dass Hardo sie nie angerührt hatte. Noch immer wurde sie rot, wenn sie daran dachte, wie sie selbst versucht hatte, ihn zu verführen. Wie sie sich nachts an ihn geschmiegt hatte, wenn er schlief, und ihn manches Mal heimlich geküsst hatte.
    Hatte er geschlafen?
    Heute war sie sich nicht mehr ganz so sicher.
    Heute wusste sie mehr von den Männern als damals, als sie noch ein unbedachtes Kind war. Der Aufenthalt im Kloster war auch zu diesem Zweck sehr lehrreich gewesen. Die Novizinnen, nicht alle fromme Seelen, die freiwillig die Ehe mit Jesus Christus einzugehen wünschten, hatten ihr die Worte der Minnelieder, die sie ihnen zitierte, auf sehr
deutliche Weise ausgelegt. Was es hieß, bei einem Mann zu liegen, war ihr damals klargeworden, und manches Mal hatte sie sich mit hochrotem Kopf daran erinnert, wie sehr sie ihren Kameraden bedrängt hatte. Damals verlangte es sie nach Zärtlichkeit, nach Wärme und Schutz. Sie wollte in seinen Armen liegen, ihn kosen - doch alles das ohne das Begehren, das sie jetzt verspürte. Er aber war damals schon ein Mann, er musste gewusst haben … Heilige Mutter Gottes, besser nicht daran denken.
    Patta knabberte an einer Rosenknospe, fand sie augenscheinlich aber nicht wert, verschlungen zu werden, und maunzte, damit sie wieder die Bastschnur hinter sich herzog. Sie tat ihm den Gefallen, und er folgte ihr aus dem Garten bis zum Brunnen im Hof. Engelin setzte sich auf den gemauerten Rand und legte die Blumen in ihren Schoß. Doch ihre Finger blieben untätig.
    Damals in Lahnstein, als sie ihn nach einem Jahr wiedergetroffen hatte, war sie vorsichtiger geworden. Aber dort war er ein hilfsbedürftiger, kranker Mann gewesen, und ihre Fürsorge hatte er sich, genau wie die Ismaels, dankbar gefallen lassen.
    Bis er dann wieder gesund und zu Ansehen gekommen war.
    Da hatte er sie zurückgewiesen. Ja, mehrmals hatte er sie barsch, spöttisch, nüchtern, verächtlich zurückgewiesen.
    Und um die Gunst der schönen Loretta geworben.
    Es hatte sie verletzt, es tat heute noch weh, aber nach der strengen Befragung durch ihren Vater und einigen heftigen Gewissensbissen war ihr eine unbequeme Einsicht gekommen.
    Immerhin war es möglicherweise doch klug von Hardo gewesen, sie von sich zu weisen, denn hätte sie sich seinem unsteten Leben angeschlossen, dann wäre sie heute nicht besser dran als die aufgeputzte Buhle. Wie entsetzlich. Sie stand in seiner Schuld, denn er hatte sie damals
davor bewahrt, sich zur Närrin, schlimmer noch, zur Dirne zu machen.
    Das dem Vater zu erklären, ging über ihre Kraft!
    Sie wickelte ein Stück Bast auf und überließ Patta das Knäuel, das er fachgerecht jagte und zerzupfte. Sie selbst band die Blumen mit dem übrigen Bast zusammen und formte zwei Kränze daraus, die restlichen richtete sie zu bunten Sträußen. Dann haspelte sie einen Eimer Wasser hoch und nahm alles, Blumen, Krüge und Eimer, um es in die Kapelle zu tragen.
    Kühl war es in dem Raum, der Duft von Weihrauch und Wachs, verblühten Rosen und ein seltsam modriger Geruch trafen sie, als sie eintrat. Patta hatte beschlossen, sie zu begleiten und nach armen Kirchenmäusen Ausschau zu halten. In der dämmrigen Kapelle wähnte

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