Das Spiel des Saengers Historischer Roman
dürfen.«
Casta entfuhr ein quiekender Laut, und sie schlug sofort die Hände vor den Mund, um nicht noch weitere entfleuchen zu lassen.
»Mein Vater war begeistert, Casta. Weil er mich doch so gerne mit einem hohen Herrn verheiratet sehen würde. Aber ich fand den Ritter einfach furchtbar. Tut mir leid, Casta, tut mir so leid.«
Sie legte die Arme um ihre Freundin und wiegte sie leicht.
»Schon gut, Engelin. Lass nur. Ich kann mir denken, wie es dir gegangen ist. Die Wunde in seinem Gesicht sah damals noch entsetzlich aus.«
»Ja, wie eine Höllenfratze kam sie mir vor. Jetzt ist die Narbe verwachsen, und wenn man ihn kennt, merkt man es kaum noch. Er ist ein kluger, ehrenhafter Mann. Aber damals - ich war dreizehn, Casta. Mich grauste es unbeschreiblich vor ihm.«
»Vor Hardo hat es dich nicht gegraust, als du ihn in Lahnstein wiedergetroffen hast.«
»Nein, vor ihm nicht. Obwohl auch er entsetzlich aussah. Aber …«
»Das macht den Unterschied aus, nicht wahr? Ich liebe Herrn Ulrich. Mich dauert es, dass er diese Verletzung erlitten hat. Aber es ändert nichts an seinem Wesen.«
Engelin hatte die Beine angezogen und lehnte mit der Stirn an den Knien. Dann hob sie den Kopf wieder und sah in dem spärlichen Licht geradeaus in das Gesicht ihrer Freundin.
»Du hast recht, Casta.«
»Nicht immer, aber in diesem Fall wohl schon. Und nun - warum hast du deinem Vater damals nicht einfach gesagt, dass du dich von dem Ritter abgestoßen fühltest? Ich habe den Eindruck, dass Hinrich van Dyke auch an deinem Wohlergehen liegt. Du warst noch so jung. Es hätte auch andere Bewerber gegeben.«
»Meine Schuld. Und ein bisschen die von Puckl.«
»Dem Secretarius?«
»Sebastian ist mein Vetter, weißt du. Der Sohn meiner Mutterschwester, meiner Tante Agathe, die in Koblenz lebt. Er ist ein überaus heller Kopf, trotz seines Buckels, und mein Vater hat ihn schon als Jungen zu sich genommen, um ihn im Handelsgeschäft auszubilden. Er hat sich im Kontor immer sehr geschickt angestellt. Ich mochte ihn von Anfang an; er war nicht so wild wie meine Brüder, eher versonnen. Und er kannte so viele Geschichten. Manche hatte er gelesen, andere gehört, aber viele hat er sich auch selbst ausgedacht. Ich glaube, für ihn ist es wichtig, von Heldentaten zu träumen, von edlen Rittern, die Jungfrauen in Not retten, die Drachen besiegen und magische Schwerter erringen. Er kannte auch etliche Minnelieder und las sie mir aus einer alten Handschrift vor. Kurzum, als ich ihm anvertraute, was mein Vater geplant hatte, malte er mir den berüchtigten schwarzen Ritter in derart schaurigen Farben aus, dass ich mich heulend vor Angst unter meine Bettdecke flüchtete. Weshalb er daraufhin sofort den wilden Plan entwickelte, dass ich fliehen müsse. Und zwar zu seiner Familie nach Koblenz. Er verehrt seine Mutter sehr, und Tante Agathe ist auch eine liebe und herzliche Frau. Er glaubte, bei ihr würde ich Verständnis finden, sie würde mir gegen meinen Vater beistehen.«
»Stimmt, deine Tante ist ein freundliches Weib, so habe ich sie auch kennengelernt. Aber die Idee war ziemlich gefährlich, die Puckl da hatte. Es ist nicht einfach für eine junge Maid, unbehelligt alleine zu reisen.«
»Weiß ich, wusste ich auch, darum überredete ich meine Kammerjungfer, mit mir zu kommen. Sie war begeistert von dem Abenteuer - viel älter als ich war sie nicht, gerade achtzehn Jahre alt und von leichtfertigem Gemüt. Puckl sorgte dafür, dass wir ausreichend mit Münzen versorgt waren. Wir hätten eine Fahrt mit dem Schiff bezahlen können. So gefahrvoll wäre es nicht gewesen. Aber dann wurde unsere Flucht viel zu früh entdeckt, und wir mussten uns zunächst einmal im Hafen verstecken. Herr Ulrich mit sechs seiner Mannen war uns dicht auf den Fersen. Wir schafften es, bis
nach Bonn zu kommen, zu Fuß und auf Frachtkarren, haben in Schuppen und Scheunen übernachtet. Und dann … na ja, dann hatte ich die Idee mit den Jungenkleidern, die auf einer Wiese zum Trocknen lagen.«
»Und hast dir die Haare abgeschnitten.«
»Weil mir die Mütze immer runterrutschte, tat ich es, als ich drüben in Königswinter angekommen war. Es hat mich geschmerzt, Casta. Ich hatte einen Zopf, der mir fast bis in die Kniekehlen reichte. Ich schnitt ihn mit einem schartigen Messer ab und warf ihn in ein Feld. Meine Haare sahen danach grässlich aus.«
»Und wie hast du sie braun bekommen?«
»Erst mit Dreck.« Engelin grinste. »Und dann habe ich einer Krämerin eine
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