Das Spiel des Saengers Historischer Roman
Kirchweih, Erntedank - und natürlich Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen bei Nachbarn und Pächtern. Aber wenn er nicht anwesend war, bestand das Leben auf der Burg zum größten Teil aus Arbeit - Gutsherrenarbeit, Bauernarbeit, Haushaltsarbeit.«
»Ja, das hat sie maßlos gelangweilt. Ich besuchte sie einst, als ich auf dem Weg nach Köln war, und sie bejammerte ihr Leid Stunde um Stunde. Dabei hatte sie eine liebreizende kleine Tochter und war mit - ich nehme an, Karl - schwanger. Die Mutterschaft füllte sie nicht aus.«
»Nein, die Kinder bedeuteten ihr wenig, das habe selbst ich damals bemerkt. Sie schien froh darüber zu sein, als der Burgherr sie zu ihren Verwandten nach Koblenz brachte.«
»Zwei Kinder nur«, sinnierte der Domgraf plötzlich.
»Und sechs, die auf dem Lichhof liegen«, ergänzte ich trocken.
»Und vermutlich nicht alle von ihrem Gatten gezeugt. Der Herr mag ihrer Seele gnädig sein.«
»Warum hat sie den Schleier genommen?«
»Bis vor Kurzem hätte ich gesagt, aus Gram, um Frieden
vor Gott zu finden und gleichzeitig eine Aufgabe zu haben, die einer hohen Frau entspricht. Heute weiß ich es nicht mehr, Hardo. Zu viele Zweifel nagen an mir.«
»An mir auch. Sie will um jeden Preis zurück in ihr altes Leben, und Casta soll es ihr ermöglichen. Das Kloster war nur kurze Zeit eine Zuflucht.«
»Und nun steht Hardo von Langel auf und erzählt seine entlarvende Mär. Kennt Ihr Gnade, Hardo?«
»Ich werde sie bis zum Ende erzählen und die Entscheidung über die Gnade in Ulrich von der Arkens Hände legen.«
»Ihr vertraut ihm inzwischen grenzenlos.«
»Grenzenlos nicht, aber ich empfinde hohe Achtung vor ihm. Und, Gottfried - es geht um noch etwas mehr als die Lehensvergabe und den Tod Sigmunds.«
»Das habe ich befürchtet. Eberhart und Euer Vater, nicht wahr?«
»Ja, darum geht es.«
»Lasst mich alleine, Hardo. Mich schwindelt.«
Ich legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Ihr wart mir Freund und werdet es immer bleiben.«
Er nickte nur leicht und wandte sich ab.
Auch ich war nicht glücklich. Es tat mir leid, einem guten Mann wehzutun.
Minneleid
Engelin hatte noch eine Weile beruhigend auf ihren Vater eingeredet, aber die Sache nagte dennoch an ihr. Würde Ulrich möglicherweise wirklich Hardo die Burg zusprechen? Eine schauderhafte Vorstellung!
Sie verließ ihren besänftigten Vater schließlich, um sich für eine Weile ihren eigenen Gedanken hinzugeben. Ein wenig schwerfällig kletterte sie die hölzernen Stiegen zum
Söller des Bergfrieds nach oben. Der Sturz in den Gang hatte seine Spuren hinterlassen; deshalb hatte Casta sie heute Morgen schlafen lassen. Doch schon als sie aufgewacht war und sich strecken wollte, war ihr ein Jammerlaut entschlüpft. Ihre Freundin musste gewusst haben, dass ihr alles, aber auch jedes Glied einzeln wehtat. Was sich am Vortag nur wie oberflächliche Prellungen angefühlt hatte, war jetzt verhärtet und steif geworden.
Leise stöhnend lehnte sie sich an die sonnenwarmen Zinnen.
Heilige Mutter Gottes, war das gestern ein Tag gewesen!
Und dann kam die Erinnerung wie heiße Wellen über sie. Vergessen war jede Pein, jeder angeschlagene Muskel, jede Abschürfung.
Hardo!
Wie besonnen er sie aus dem zusammenbrechenden Gang geführt hatte. Wie aufmerksam er den Hain beobachtet hatte, die Hand am Dolch, bereit, ihr Leben zu verteidigen.
Das war ein Teil des wahren Hardo - ein mutiger, kühner Mann, der kalten Blutes der Gefahr begegnete.
Der andere Teil - o ja, das war der andere Teil von ihm, und der mochte wahr oder gespielt gewesen sein; er war zumindest von unglaublich heißem Blute und schlichtweg göttlich.
Sie war so zitterig von der überstandenen Angst, dass sie sich ohne Bedenken in seine Arme gestürzt hatte. Und dort genau das gefunden hatte, was sie so bitter nötig hatte: Wärme, Geborgenheit und Schutz. Plötzlich war die Stichflamme aufgelodert. Sie war wehrlos dagegen. Und er war es auch.
Wie sanft er dennoch gewesen war.
»Träumst du, Line? Einen hübsch minniglichen Traum?«
Engelin zuckte zusammen.
»Hast du heute keine anderen Pflichten, Ismael?«, fragte sie, als der Junge neben ihr an den Zinnen auftauchte.
»Meine Pflicht, Herrin, ist es, auf Euch aufzupassen.«
»Oh.«
»Hat mein Herr befohlen.«
Eine weitere Hitzewelle schwappte durch Engelins Glieder. Hardo dachte an sie und kümmerte sich um ihre Sicherheit.
»Nun ja, hier oben wird mir wohl nicht viel passieren«, meinte sie aber gelassen und schaute
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