Das Spiel des Saengers Historischer Roman
Jungfer.«
»Genau. Außerdem kostete die Fahrt Geld, und Geld hatte ich nicht.«
»Ich hätte dir etwas geliehen, Line.«
»Du hast mir etwas geliehen. Drei Goldstücke sogar. Erinnere mich, sie dir bei Gelegenheit zurückzugeben.«
»Willst du damit sagen, du hast mir das Geld gestohlen? Und ich habe es nicht bemerkt?«
Engelin weidete sich an dem fassungslosen Gesicht ihres Gegenübers.
»Och, das war ganz leicht.«
»Line, unser Geld war unter meiner Matratze.«
»Wusste ich doch. Du hattest einen so schönen, tiefen Schlaf, wenn du zuvor heimlich von dem schweren roten Wein genascht hattest.«
Ismael murmelte etwas Unverständliches.
»Nun ja, es reichte, mir einen Begleiter zu mieten und den Kapitän eines Oberländers zu bezahlen, der nach Koblenz fuhr.«
»Einen Begleiter zu mieten?«, fuhr Ismael auf.
»Ich konnte doch nicht alleine … erklärte ich doch. Also mietete ich den alten Einbeinigen, der immer an der Schenkentür saß, bezahlte ihm ein Bad und den Barbier und gab ihn als meinen armen, alten Vater aus, den ich zu seinem Bruder begleitete. Wir gingen zusammen an Bord, und er verdrückte sich, als man Ladung aufnahm, klammheimlich wieder. Dass ich alleine an Land ging, interessierte keinen mehr. Ich hatte ja die Passage für uns zwei bezahlt.«
»Teufelsweib!«
»Hab ich gut gemacht, was?«
»Ich hätt’s kaum besser machen können.«
»Ja, aber dann kam es etwas dicker. Meine Tante Agathe, die Schwester meiner Mutter, ist eine gütige, wenn auch etwas einfältige Frau, und ihr erzählte ich, dass ihr Sohn Sebastian mir den Rat gegeben hätte, vor einer unpassenden Verlobung mit einem Ungeheuer von Mann zu ihr zu fliehen, wobei ich so tat, als sei das gerade eben erst geschehen. Sie glaubte mir. Ihr Mann tat es wohl von Anfang an nicht.
Du musst wissen, dass er ein missgünstiger Kerl ist, der sich mit meinem Vater übel zerstritten hatte. Er neidet meinem Vater seinen erfolgreichen Handel, weil er selbst keine gute Hand dafür hat. Er sah mich als brauchbare Geisel in seiner Obhut, um Lösegeld zu erwirken. Mir schlug er, damit ich bei der Scharade mitmachte, vor, zu behaupten, dass ich die ganze Zeit über bei ihnen verbracht hatte.«
»Du hättest darauf eingehen können.«
»Hätte ich. Aber inzwischen war ich klüger geworden. Und - Ismael, seit ich wieder in einem geordneten Heim lebte, begann ich, mein Elternhaus zu vermissen. Ich wollte mich mit meinen Eltern versöhnen, nicht einen Spielball für die unredlichen Geschäfte meines Oheims abgeben. Ich hatte Glück, Ismael. Bei einem Fest lernte ich Casta kennen. Wir schlossen sehr schnell Freundschaft, und sie half mir aus meiner Zwickmühle. Ihre Verwandten betrieben ebenfalls Handel, Weinhandel, mit Köln, und eine anständige Händlersgattin nahm mich unter ihre Fittiche und brachte mich nach Hause zurück.«
»Und wie empfing man dich?«
»Es war nicht ganz einfach - meine Eltern glaubten mich tot. Sie waren erschüttert, als ich vor der Tür stand. Ich erzählte ihnen meine Geschichte und die Gründe, warum ich geflohen war. Es gab viele Tränen und Vorwürfe, aber schlussendlich - mein Vater ist ein guter Mann, auch wenn er aufbrausend werden kann, und meine Mutter ist eine geschäftige, rege Frau, die mich und meine Geschwister immer gerecht und freundlich behandelt hat. Sie waren glücklich, dass ich noch lebte, und sie verziehen mir.«
»Aber dein Vater will immer noch einen Adligen für dich zum Mann.«
»Eine Grille.«
»Und wen willst du, Line?«
»Weißt du doch. Nur, Ismael, wenn der Ritter ihm diese verdammte Burg zuspricht, dann wird mein Vater zwar mit Freuden einer Heirat zustimmen, ja sie sogar auszuhandeln
versuchen. Nur ich will hier nicht mein Lebtag lang eingesperrt sein.«
Engelin schaute sehnsüchtig über das weite Land zu ihren Füßen und dann zum fernen, dunstigen Horizont.
»Mhm, ja, das ist ein Problem«, sagte Ismael. Und fragte dann: »Aber will mein Herr dich denn heiraten?«
Engelin fuhr empört herum.
»Er muss es!«
»Nur weil Ihr unter den Linden der Minne gefrönt habt?«
Engelin bemerkte, dass sie die gelbe Galle ebensowenig beherrschte wie ihr Vater.
»Ismael!«, zischte sie.
Er hob abwehrend die Hände.
»Schlagt mich nicht, schlagt mich nicht, Herrin. Ich habe Scherz getrieben.«
»Damit treibt man keinen Scherz!«
»Doch, immer!«, kicherte Ismael und entwischte ihr.
Schnaufend blieb Engelin stehen.
»Wenn er es als Scherz aufgefasst hat, werde ich ihm diesmal
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