Das Spiel des Saengers Historischer Roman
sind glatt, und eines hat nur zur Hälfte Zacken.«
Mit diesen Worten pflückte er eine eben erblühte Heckenrose von dem Busch und reichte sie dem Alten. Der nahm die Blüte und ging ohne ein Wort weg.
»Dies war der erste Teil und der Anfang der Mär, die ich euch berichten will. Bevor es weitergeht, hört das Lied der holden Maid unter den Linden weiter.«
Ich stimmte die frechen Verslein an und bemerkte zu meinem Vergnügen, dass man mir aufmerksam lauschte, selbst wenn der eine oder andere ein unbeteiligtes Gesicht aufsetzte.
»Er nahm mich bei der weißen Hand,
sed non indecenter,
er führte mich den Rain entlang
valde fraudulenter
Hoy et oe!
Verdammte Linden dort am Weg!
Es steht die Linde wohlgetan
Non procul a via,
da hab ich meine Harfe stehn,
timpanum cum lyra.«
Hoy et oe!
Verdammte Linden dort am Weg!«
Als die Melodie verklungen war, fragte ich den Ritter mit einer Verbeugung, ob er mehr von jenem jungen Mann zu hören gesonnen war.
»Berichtet weiter, Meister Hardo. Wir wollen Abenteuer hören!«
»Nun denn, dann folgt mir auf die Burg am Wald, in der der Simpel seine Wohnstatt hatte.«
Die Weigerung des Helden
Im Stall des Burgzwingers standen ein paar prächtige Rösser, denn einst hatte der Ritter, dem sie gehörten, sich in vielen Schlachten und Turnieren geschlagen und war auch oft zur Jagd geritten. Jene edlen Tiere zu versorgen war die Aufgabe des jungen Mannes, der auf dieser Burg als Stallbursche tätig war.
Die Heckenrosen waren verblüht, und rote Hagebutten hingen im Laub, als er den seltsamen Alten aus dem Wald wiedertraf. Diesmal klopfte er an das Tor der Burg und wünschte den Verwalter zu sprechen. Man ließ ihn ein und fragte nach seinem Begehr. Um nichts aber bat der Alte, im Gegenteil, er bot seine Dienste an. Denn er war ein fahrender Sänger und Überbringer von Nachrichten, ein Erzähler und Dichter, dem man an kalten Herbstabenden gerne ein warmes Mahl und einen Platz am Kamin gab.
Und so kam es, dass der Stallbursche zum ersten Mal in seinem Leben bunte Geschichten hörte von mutigen Recken in schimmernder Rüstung, von Schatzhöhlen und Drachen, die sie bewachten, von verzauberten Schwertern und singenden Steinen, von Schwanenjungfrauen, die ihre Federkleider ablegten, von Heldentaten und feigem Verbrechen - und von der Minne.
Mehr als die zahlreichen Aventuren, über die der Alte sang, berührten jene Lieder das Herz des jungen Simpels, in denen der Sänger die beseligenden Wonnen der Liebe
berichtete. Denn der arme Tropf war heimlich für des Verwalters Tochter entflammt und träumte des Nachts - und auch oft am Tage - davon, dass sie ihn erhören würde. Doch die schöne Jungfer bemerkte sein Liebesleid nicht - oder vielleicht doch, aber dann zeigte sie es nicht -, sondern sah, wann immer sie ihn traf, mit hochmütigem Blick über ihn hinweg. Aber dem Alten mit seiner Laute lauschte sie mit leicht geöffneten Lippen und hingerissenem Blick.
So reifte in dem jungen Mann der Entschluss, die Schöne ebenfalls mit seinem Gesang zu betören. Er hörte aufmerksam den Liedern zu und behielt sich den einen oder anderen Vers. Er merkte sich auch die Melodien, und in der Nacht, als der volle runde Mond sein silbernes Licht über das Land ergoss, kletterte er zur Burgmauer hinauf bis ganz in die Nähe der Kammer, von der er wusste, dass dort seine Angebetete schlummerte. Hier sang er mit klarer, reiner Stimme, was er sich von den Liedern der Minne behalten hatte.
Er erntete ein Schaff Wasser, das ihm über den Kopf geschüttet wurde, und ein schallendes Gelächter.
Gedemütigt schlich der Tropf von der Burgmauer zum Stall, wo er seine Schlafstelle im Heu hatte. Doch als er über den Hof ging, tauchte der alte Sänger auf und schritt schweigend neben ihm her.
Mit einem Achselzucken blieb der junge Mann schließlich stehen, starrte auf seine großen Füße und murmelte: »Mir passieren immer solche Sachen. Ich bin unter einem Unglücksstern geboren.«
»Ein Stern alleine bestimmt nicht das Schicksal eines Mannes. Du könntest lernen, Junge, welche Worte und Melodien es sind, die die Herzen der Weiber rühren. Denn auch wenn du eine schöne Stimme besitzt, sie und das Mondlicht alleine betören die Frauen noch nicht.«
»Aber Euch lauschen sie doch auch. Und Ihr seid schon alt und weißhaarig!«
Der Sänger lachte über den trotzigen Ton und legte dem Simpel die Hand auf die feuchte Schulter.
»Richtig, mir lauschen sie, obwohl ich ein unansehnlicher, hagerer
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