Das Spiel des Saengers Historischer Roman
alter Mann bin, denn ich weiß um die Mittel, die die Frauen verzaubern. Höre, mein Junge - man braucht ein Instrument dazu, eine magische Laute, deren Klang die Maiden und Weiber willenlos macht.«
»So eine wie die Eure, Herr?«
»So eine wie die meine.«
»Und … und woher bekommt man eine solche Laute, Herr?«
»Um so ein Instrument zu erwerben, musst du dich zur Drachenburg am Rhein begeben. Dort lebt der Lautenbauer, der Letzte seiner Art, der noch über die Fertigkeit verfügt, solch magische Lauten zu bauen. Doch der Weg zu ihm ist gefährlich, denn in dem Wald haust das Ungeheuer, das der Burg den Namen gab.«
Mit diesem Rat ließ der Sänger den jungen Mann alleine.
Hier machte ich wieder eine Pause, und Dietrich kredenzte mir auf anmutige Weise einen silbernen Pokal. Der Wein war kühl und fruchtig und ganz offensichtlich vom Besten, was der Keller zu bieten hatte. Ich legte die Laute zur Seite und ergötzte mich an dem Trunk, während ich den aufkommenden Bemerkungen zu meiner Mär lauschte.
Am lautesten äußerte sich Magister Johannes, der Kaplan. Er wetterte gegen die Magie. Natürlich - Wunder wirken durften nur Gott und die Heiligen. Aber er stand ziemlich alleine mit seinem Protest, wollte mir scheinen. Die anderen kommentierten frohgemut die Dummheit des verliebten Tölpels oder fanden nachsichtige Worte für ihn, weil er den wilden Kater gerettet hatte, eine der Jungfern vermutete gar, der Junge sei gar nicht so ein Tropf, denn er habe ja die Rätsel gelöst, was ihr aber von ihrer Freundin einen giftigen Widerspruch eintrug. Besser jedoch als die Unterhaltung an den langen Tischen konnte ich die der Hohen Tafel verstehen. Hier wusste die Äbtissin ungewöhnlich kundig über das Lautenspiel zu plaudern, der
Stiftsherr hingegen rühmte die Mär, deren vielversprechender Beginn Hoffnung auf große, schicksalhafte Verwicklungen machte. Der Ritter gab nur einige wenige zustimmende Laute von sich. Hinten im Saal bemerkte ich Ismael, der, offensichtlich gesättigt, nun wieder am geselligen Leben teilnahm. Er tändelte mit einer jungen Maid herum, die ihm mit allerlei Gesten und Augenklimpern zu verstehen gab, dass sie weiteren Spielchen nicht abgeneigt war. Vermutlich war die Kleine das kecke Kammerjüngferchen von Frau Loretta, denn für eine Magd war sie zu aufwendig gekleidet. Ich fing Ismaels Blick auf, und er grinste mir vielsagend zu. Meine Warnungen waren mal wieder ungehört verhallt.
Andererseits - wenn ich mir einen weiteren Überblick über die hier versammelten Herrschaften machen wollte, würden mir später Ismaels Beobachtungen und das, was immer er aus diesem Mädchen herausgelockt hatte, helfen, mir den einen oder anderen Reim auf die unerwartete Ehre zu machen, die mir die Einladung des Ritters Ulrich von der Arken verschafft hatte.
Ich nahm einige Schlucke aus meinem Pokal und griff wieder zur Laute.
Die Gespräche verstummten, als ich zu spielen begann, und wurden zu leisem Geraune. Und das erstarb, als ich meine Stimme erhob und meine Mär fortsetzte.
Überfall und Flucht
Der Winter überzog das Land mit seinem harschen Frost, die Gewässer froren zu, und von den Wehrgängen hingen die Eiszapfen. Der junge Mann verbrachte viele dunkle Abende damit, davon zu träumen, wie er mit einem wunderwirkenden Instrument die Herzen der Frauen eroberte. Ja, nicht nur die Herzen, sondern vor allem auch ihre köstlichen, geheimnisvollen Leiber, denn wilde Gefühle hielten
ihn gefangen, unerklärlich, sehnsuchtsvoll, verwirrend. Und jeden Tag plante er aufs Neue aufzubrechen, wenn der Schnee geschmolzen und das Eis geborsten war. Dann aber kam der Frühling, die Sonne wärmte das Erdreich, das erste Grün brach zwischen krustigen Schneeflecken hervor, und jeden Tag verschob der Simpel seinen Aufbruch. Denn nicht nur der Wunsch nach der magischen Laute hatte seine Fantasie mit Wollust beflügelt, nein, ein kräftiges Gegengift hatte ihm der alte Sänger dazu auch verabreicht. Und das bestand in der Furcht vor dem Ungeheuer, das auf dem Berg wartete, wo der Lautenbauer seine Werkstatt hatte. Da der junge Mann die Burg in seinem bisherigen Leben nur einige wenige Male verlassen hatte, schreckte ihn die Welt außerhalb der trauten Wälder. Mehr noch, auch seine Mutter, die sein Fortgehen fürchtete, flüsterte ihm weitere schaurige Geschichten über das grausige Wüten des Lindwurms zu, sprach von dem heiligen Michael, der als Einziger je eine solche Bestie gebändigt hatte, und von
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