Das Spiel des Saengers Historischer Roman
hat er mir gesagt. Auch dass die Laute ihm gehörte, die Margarethe nach dessen Tod ihrem Bruder, dem Domgrafen Gottfried von Fleckenstein, gegeben hat.«
»Die sie Euch deswegen vor drei Tagen entwendet hat, um sie zu untersuchen, ob es tatsächlich die nämliche war«, meinte Ismael sinnend.
»Das vermute ich. Und sie fand Gewissheit. Doch noch vor ihr, Ulrich, erkannte Sigmund sie. Den ersten Abend, als ich auf ihr spielte, starrte er die ganze Zeit darauf. Es muss ihm vieles durch den Kopf gegangen sein. Entweder drückte ihn das Gewissen, oder es überwältigte ihn der Wunsch, sich vor den unweigerlich folgenden Enthüllungen zu schützen.«
»Sodass er Euch umzubringen beabsichtigte.«
»Oder geneigt war, dies für einen anderen auszuführen.«
»Lassen wir das Spekulieren für eine Weile beiseite«, schlug ich vor. Ich hatte noch weitere Fragen an Ulrich, die er mir jetzt vermutlich bereitwillig beantworten würde.
»Wusste Euer Oheim, dass Eberhart und Gerwin Brüder waren?«
»Ja, Urban wusste es. Gerwin war der um ein Jahr jüngere Bastard des alten Burgherrn mit seiner maurischen Konkubine. Die Frau starb im Kindbett, der Burgherr erkannte den Sohn als den seinen an, der Junge wurde einer Amme übergeben und hier auf der Burg aufgezogen. Wie die Burgherrin dazu stand, kann ich Euch nicht sagen«, setzte er mit einem schiefen Lächeln hinzu.
Nicht eben überschwänglich erfreut, nahm ich an, aber
sicher auch nicht besonders entsetzt. Dass die Herren ihren Samen weit im Umkreis säten, war nicht eben ungewöhnlich. Genauso wenig wie der Umstand, dass die daraus erwachsenden Früchte gleichberechtigt mit den ehelichen Sprösslingen aufgezogen wurden. Aber offensichtlich hatten nicht sehr viele Leute von der engen Verwandtschaft Eberharts und Gerwins gewusst. Wie ich meinen Vater einschätzte, war er zu stolz, um sich darauf zu berufen.
»Wusstet Ihr von den Zusammenhängen, als Ihr meinen Vater verurteiltet, Ulrich?«
»Nein. Sonst hätte ich gewiss andere Fragen gestellt. Nein, ich erfuhr es anderthalb Jahre später erst, als ich Urban in Jülich wiedertraf. Er hatte von Eberharts Tod gehört und wollte von mir die Umstände erläutert wissen. Als ich ihm sagte, dass Gerwin gehenkt worden war, sah ich ihn das erste Mal in meinem Leben fassungslos. Und dann hielt er mir einen Vortrag über die Familie derer von Langel, meine bodenlose Dummheit, meine Ignoranz, meine Unfähigkeit, meine Leichtgläubigkeit und meine Verantwortung für den Tod eines Unschuldigen und dessen Witwe und Waisen. Ich fühlte mich wie eine Drecklache auf dem Hallenboden, als er mit mir fertig war.« Ulrich schüttelte in Erinnerung an die Strafpredigt den Kopf. »Er war wortgewaltig, mein Oheim. Und er wusste, wie man mit Worten klaffende Wunden reißen konnte. Er beschwor die ritterlichen Tugenden herauf, die meine Eltern mir einst vorgelebt und mit auf den Weg gegeben hatten und die ich mit Füßen getreten hatte. Er zeichnete mir das Bild eines verrohten, gewalttätigen, gewissenlosen, gottverlassenen Schurken. Kein Priester hat je eine derartige Scham in mir geweckt wie er, Hardo. Ich gelobte Wiedergutmachung. Und er erzählte mir von seinem Plan.«
»Seinem Plan?«
»Er wusste, dass Gerwin Kinder hinterlassen hatte, und wollte herausfinden, was aus ihnen geworden war. Mir nahm er das Versprechen ab, für sie zu sorgen, da sie durch meine
Schuld vaterlos geworden waren und mit der Schande leben mussten, von einem Mörder abzustammen.«
»Weshalb Urban nach Langel kam und den jungen Tölpel im Wald einer eingehenden Prüfung unterzog.«
»Richtig. Mir berichtete er davon, dass Gina, Eure Mutter, weiterhin als Bäckerin auf der Burg arbeitete, Eure Schwestern angemessen verheiratet und Euer jüngerer Bruder zurückgeblieben, aber geduldet war. Und dass Ihr, Hardo, wie ein Ausgestoßener behandelt wurdet, obwohl Ihr mit hohen geistigen Gaben gesegnet wart. Er sprach auch von der List, die er angewandt hatte, um Euch dazu zu bewegen, die Enge der Burg zu verlassen und Euren eigenen Weg zu machen. Mir stellte er die Aufgabe, den Mord an Eberhart von Langel aufzuklären und Euer Schicksal vorsichtig und aus der Ferne zu verfolgen, wenn nötig aber einzugreifen. Beides, Hardo, überstieg leider meine Fähigkeiten.«
»Heilige Apollonia von den Zahnschmerzen!«
»Verzeiht, Hardo.«
Ich fühlte mich benommen, und mein Kopf brummte wieder.
Man hatte ein Spiel mit mir getrieben. Und obwohl es mich von den Fesseln befreit
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