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Das Spiel des Saengers Historischer Roman

Titel: Das Spiel des Saengers Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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ein und schaute wieder aus dem Fenster über die schlafende Welt. Still war es hier, nur die vertrauten Geräusche der Nacht wehten mich an - der Ruf eines Käuzchens, der verebbende Todesschrei eines kleinen Tieres, Beute eines hungrigen Jägers, vielleicht ein Fuchs oder eine Katze, das leise Rascheln des Laubs in der lauen Brise, die das Rheintal entlangzog. Im Geiste erklomm ich jedoch die schmalen Stufen der Wendeltreppe zu den Gemächern just über mir. Dort in den Kemenaten hatten sich nun wohl die Frauen zur Ruhe gebettet - oder auch nicht. Ein Lächeln flog mich an, als ich mir vorstellte, wie sie über mich tuschelten. Die Äbtissin wahrscheinlich nicht, vor allem nicht mit der keuschen Novizin Hildegunda. Aber die Hofdame Loretta und ihr keckes Jüngferchen mochten noch ihren Schwatz halten.
Ganz gewiss aber Jungfer Engelin und ihre Freundin. Als sie an der Tafel saßen, hatten sie ihre Schleier abgelegt und, wie es Sitte für unverheiratete Maiden war, ihre Haare offen getragen, nur von Chapels aus bunter Seide gehalten. Engelin in ihrem lichtblauen Gewand konnte ich mir lebhaft auf dem weißen Zelter vorstellen, das Kinn hochmütig gereckt, auf der Faust den weißen Falken. Ja, ein durchaus prachtvolles Bild wie aus einer bunt illuminierten Handschrift. Die andere Jungfer hingegen war braunhaarig, und glänzend wogten ihre Locken über den grünen Stoff ihres Surkot. Die beiden hatten mich beobachtet, unauffällig, doch oft genug hatte ich ihre Blicke auf mir gespürt, während ich sang und erzählte. Ich war weibliche Bewunderung gewohnt, ja legte es geradezu darauf an. Doch wenngleich der braunhaarigen Jungfer dunkle Augen zunächst wohlwollend auf mir geruht hatten - die von Engelin machten ihrem engelhaften Namen keine Ehre. Verachtung sah ich darin glitzern, Abscheu und Missfallen. Es mochte meinem Seelenfrieden ganz dienlich sein, dass ich ihren spitzigen Tiraden jetzt nicht lauschen konnte.
    Ja, die sechs Frauen in den Kemenaten über mir standen mir nicht nur wohlwollend gegenüber. Ida, das Weib des Burgvogts, hingegen war freundlich, fast mütterlich gewesen und war auch mit stillem Vergnügen meinem Vortrag gefolgt. Nur dann und wann, wenn ihr Gatte ihr ein barsches Wort zugeworfen hatte, war sie verschreckt zusammengezuckt. Die letzte Frau aber, die an den Tafeln saß, Jonata, das Weib des Pächters, hatte sich völlig anders aufgeführt. Sie hatte mich nur einmal kurz angesehen, und wenn sie auch aufmerksam zugehört hatte, so wirkte sie doch, als hätte sie die ganze Zeit über mit den Tränen zu kämpfen gehabt. Schon bei der Abendandacht waren mir ihre verhärmten Züge aufgefallen, sie musste ein großes Leid erfahren haben. Ihr Mann hingegen war ein vierschrötiger Geselle, Cuntz mit Namen, der sie recht gleichgültig zu behandeln schien.

    Ich atmete noch einmal die Luft der lauen Maiennacht ein, schenkte dem Schweifstern einen letzten Blick, schloss das Fenster und begab mich zur Ruhe.
    Den Dolch aber legte ich griffbereit neben mich.
    Denn Überraschungen liebte ich nicht.

Der zweite Tag
    So gewichtig,
Glück, so nichtig,
kreisend Rad, das weiterdreht,
hier erhoben,
dort zerstoben,
so entsteht, was bald vergeht;
als Bedrängnis
und Verhängnis
hangst du über meinem Haupt;
Würfelglücke,
deiner Tücke
dank ich, dass ich ausgeraubt. 4

Rosenlachen
    Engelin erwachte, als das erste Morgenlicht durch das Fenster fiel. Sie hatten die Vorhänge des Alkovens nicht zugezogen, was sie jetzt ärgerte. Ihre Nacht war nicht angenehm gewesen.
    Daran war nicht ihre Bettgefährtin schuld. Casta schlief ruhig, schnaufte nicht, wälzte sich nicht hin und her und beanspruchte nicht mehr von der Decke, als ihr zustand.
    Nein, schuld war dieser vermaledeite Minnesänger mit seiner Geschichte. Sie hatte eigentlich gar nicht zuhören wollen, vor allem nachdem er dieses freche Lied angestimmt hatte. Ein Lied von einem Taugenichts, der mit
einem unschuldigen Kind sein Spielchen spielte und es dann sitzen ließ.
    Verdammte Linden …
    Minnesänger!
    Aber dann hatte sie sich dem Bann der rauen Stimme nicht entziehen können.
    Und alle anderen auch nicht.
    Dabei war es eine kindische Mär gewesen.
    Von einem kindischen Tölpel, der einer kindischen Chimäre nachjagte.
    Engelin befahl sich, ruhig zu bleiben, um den Schlummer ihrer Freundin nicht durch heftige Bewegungen oder Geräusche zu stören. Auch sie hatte vergnügt der Geschichte gelauscht, aber später war sie doch wieder bedrückt gewesen. Der Ritter

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