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Das Spiel des Saengers Historischer Roman

Titel: Das Spiel des Saengers Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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dabei, die Kelchblätter einer eben aufgeblühten Rose zu begutachten, als eine raue, leise Stimme neben ihr flüsterte:

    »Lache, du rosenroter Mund,
sodass nicht zerstöre mir dein Lachen
meine Freude und mein Heil,
was doch bewirken soll dein gütig Lachen.
Der Mai und all der Blumen Pracht
Die können meinem hohen Mut
nicht so viel Freude geben,
wie dein Lachen, meinest du es gut.« 5
    »Ihr? Ein Lachen werdet Ihr mir nicht entlocken, Meister Hardo«, spuckte sie. »Oder wenn, dann wird es kein gütiges sein.«
    »So böse mit mir, Euer Holdseligkeit?«
    Der Unerträgliche pflückte jene Rosenknospe ab, die sie untersucht hatte, und hielt sie ihr mit einer geschmeidigen, höfischen Verbeugung hin. Er trug nur ein kurzes Hemd, das eben seine Oberschenkel bedeckte und seine Arme frei ließ. Eine ganz kurze Weile musste Engelin ihre Augen an ihm weiden. Hatte der Mann breite Schultern!
    Nichts da! Solch lockere Vögel, die schon vor Tag und Tau Minneverse zwitscherten, durfte man in ihrer Selbstgefälligkeit nicht noch bestärken.
    »Ein Jammer um die schöne Blüte, doch ich will ihr einen Platz an meinem Chapel geben.«
    Sie streckte die Hand danach aus, aber er entzog sie ihr geschwind.
    »Ich habe mich den Dornen ausgesetzt, schöne Herrin, so verdiene ich doch wenigstens einen Lohn dafür.«
    »Lohn ist es Euch genug, wenn ich die Rose in meinem Haar trage.«
    Er grinste und steckte sie sich selbst hinter das rechte Ohr.
    »Geck, eitler!«
    »Gebt mir einen Kuss, Euer Lieblichkeit, und sie ist Euer.
Das Küssen wird Euch wohl gefallen, denn ich habe Honig gegessen, und meine Lippen schmecken süß!«
    »Lasst Euch die Lippen von willigeren Buhlen ablecken. Der Preis für die Rose ist mir zu hoch!«
    Sie drehte sich um und ging mit mühsam beherrschten Schritten aus dem Garten.
    Was bildete dieser Wandersänger sich nur ein? Dass jedes Weib auf sein aufgeputztes Aussehen hereinfiel? Auf seine gedrechselten Worte und seine unzüchtigen Reime? Auf seine grünen Augen und seine raspelraue Stimme?
    Heilige Jungfrau Maria, sie konnte einem durch Mark und Bein gehen, diese Stimme.
    Konnte sie wirklich.
    Gänsehaut bekam man davon.
    Nur weg hier!
     
    Sie suchte Zuflucht im Stall bei ihrem Zelter, den sie am vergangenen Abend nicht mehr besucht hatte. Dem schönen weißen Pferd ging es augenscheinlich gut, und nachdem sie es eine Weile gekrault und ihm freundliche Worte ins Ohr gemurmelt hatte, hatte sie auch ihre Haltung wiedergefunden. Im Hof war Geschäftigkeit entstanden. Zwei Mägde haspelten Wassereimer aus dem Brunnen, die Hühner pickten die Körner auf, die jemand ihnen ausgestreut hatte, Fensterläden wurden aufgestoßen, und der Knappe Dietrich saß auf der Treppe und fettete die Stiefel seines Herrn ein. Freundlich entbot er ihr einen guten Morgen; sie grüßte zurück und ging zu ihrer Kemenate hinauf, um sich die von der Nacht gelösten Flechten zu bürsten und aufzustecken. Castas Stimme hörte sie aus dem Gemach der Äbtissin, und so griff sie selbst zur Bürste. Sie hatte die zerzausten Zöpfe noch nicht gelöst, als sie des roten Blutstropfens auf ihrem Polster gewahr wurde.
    Nicht Blut jedoch war es, sondern eine eben erblühte Rose.
    »Hübsch, nicht, wohledle Jungfer Engelin?«, sagte Ännchen,
die mit einer Kanne Wasser hinter ihr eintrat. »Diese Augenweide von einem Sänger bat mich, sie Euch aufs Bett zu legen.« Das Kammerjüngferchen kicherte. »Für einen Kuss hab ich versprochen, es zu tun. Er ist ein lecker Jung, der Meister Hardo.«
    Engelin schluckte ein paar Äußerungen hinunter, die die sehr junge Maid sehr an ihrer vornehmen Herkunft hätten zweifeln lassen.

Im Bannwald
    Der Morgenandacht, in der wiederum dräuendes Ungemach beschworen wurde und wir zur Buße aufgerufen wurden, hörte ich nicht mit der gebührenden Frömmigkeit zu. Meine Gedanken weilten in den Gärten und dem erheiternden Zwischenspiel mit Engelin und Ännchen. Mochte der Tag auch diese oder jene Entscheidung bringen, die kleine Ablenkung hatte ich mir verdient.
    Als der Gottesdienst sein Ende gefunden hatte, verkündete der Ritter, dass man sich nach der Sext zusammensetzen wollte, um den ersten Anspruch auf das Lehen anzuhören. Bis dahin stand es uns frei, unsere Zeit nach Gutdünken zu verbringen. Ich begab mich zu den Ställen, wo unsere Rösser untergebracht waren, lehnte Ismaels Hilfe und Begleitung ab und sattelte mein Pferd, um für eine Weile die Gegend zu durchstreifen. Nachdem ich die Zugbrücke über

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