Das Spiel des Saengers Historischer Roman
großem Geschick und Gespür für Gewinne weiterverkaufte und damit eine ganze Truppe Gehilfen, Schreiber, Handelsknechte und Frachtführer beschäftigte. Für seine Tochter aber wollte er unbedingt einen Gatten aus adligem Haus, und wenn er die Burg zu Lehen bekam, würde er nicht nur über deren beträchtliche Einkünfte verfügen, sondern sie würde auch einen Anreiz für mögliche hochgestellte Bewerber um ihre Hand darstellen. Bekäme er sie nicht, würde möglicherweise Lucas sie erhalten - der Höfling war ledig, und schon gestern hatte Hinrich van Dyke darauf geachtet, mit ihm ins Gespräch zu kommen.
Doch zwei Dinge hatte er bislang nicht in Erwägung gezogen, mutmaßte Engelin. Auch Casta hatte einen berechtigten Anspruch auf das Lehen - und die konnte sie nicht heiraten. Den geschniegelten Lucas jedoch würde sie nicht heiraten. Nie und nimmer. Und mochte er ihr von König Rupert selbst angetragen werden - den nicht! Gecken, die sich mit Buhlen wie Loretta schmückten, taugten, von Adel hin oder her, nicht dazu, dem Hause van Dyke Glanz zu
verleihen. Eher würden sie ihren guten Ruf mit Schimmel, Fäulnis und schwarzen Pilzen überziehen.
Genau wie dieser andere Gimpel Hardo, der allen Weibern schöntat und sie wie ein ranziger Kater umschwänzelte.
Aber das stand jetzt nicht zur Debatte - der Vogt war tot, und sie waren alle gemeinsam auf Gedeih und Verderb in der Burg zusammengesperrt. Was am Tag zuvor noch wie ein erfreuliches Abenteuer ausgesehen hatte, war nun einem beklemmenden Szenario gewichen.
Wer weiß wie lange!
Andererseits - und hier zupfte der Übermut dann doch wieder an Engelins silberblonden Haarspitzen - langweilig würde es sicher nicht werden. Und für Casta gab es auf diese Weise Möglichkeiten, ja, ganz bestimmt Möglichkeiten, dem strengen Ritter etwas näherzukommen. Sie musste nur lernen, ihm etwas lästiger zu fallen.
Zufrieden mit dieser Sicht der Dinge kehrte Engelin in die Küche zurück und half Ida, Jonata und Casta bis zum Läuten der Vesperglocke, Brotteig zu kneten und Gemüse zu putzen.
Geistliche Minne
Zwar hatte man mir keine Aufgaben zugeteilt, aber ich wies Ismael an, wo nötig zuzupacken. Er hatte ein Talent für delikatere Aufgaben; er konnte einem Huhn das Ei unter dem Hintern wegnehmen, ohne dass es den Diebstahl überhaupt bemerkt hätte. Weshalb der Hühnerstall unter der Küche sein erstes Ziel war. Da die Frauen sich mit der Zubereitung der Mahlzeiten beschäftigten, würde er mit seiner Beute bei ihnen wohlwollend aufgenommen werden. Ich hingegen suchte nach Inspiration für meine abendliche Geschichte in den Ställen, wo ich nach unseren Rössern schaute. Ställe haben etwas Trauliches, es ist warm und riecht nach Heu
und Pferd, es schnobert und scharrt und malmt und prustet. Es gibt Momente, da sind mir Tiere lieber als Menschen.
In ihrer Gemeinschaft bereitete ich mich ernsthaft auf das vor, was ich nach der Mahlzeit vortragen wollte. Aus mancherlei Gründen war es wichtig, die Worte und Szenen wohl zu wählen.
»Meister?«
Ismael tauchte mit einem verschmitzten Lächeln unter dem Gebälk auf.
»Du hast deine Pflichten erfüllt?«
»Und einen Honigkuchen dafür erhalten.« Er kaute mit vollen Backen daran, nuschelte dann aber: »Habt Ihr jetzt ein wenig Zeit? Ich muss Euch etwas berichten.«
»Ja, ich habe mir meine Mär für heute zurechtgelegt. Du hast die Ohren gespitzt?«
»Und mir die Augen gerieben. Meister, es ist doch wichtig zu wissen, wer sich wo aufgehalten hat, als der Sigmund vom Turm fiel.«
»Richtig. Du kannst jemandes Unschuld bezeugen?«
Ismaels Grinsen wurde womöglich noch breiter.
»Unschuld - ähm. Es heißt ja, dass Weihwasser alle Schuld abwäscht, nicht wahr?«
»Manche glauben das.«
»Dieser Gelehrte, der ehrenwerte Doktor Humbert, tut es auf jeden Fall.«
»Aha, und welche Sünde hat er damit abgewaschen?«
»Die der Unkeuschheit.«
Ismael mampfte weiter seinen Kuchen. Der Junge hatte ein Talent, Geschichten spannend zu erzählen. Ich gönnte ihm das Vergnügen und mimte den Ungeduldigen. Er kaute gründlich, schluckte, und seine Augen funkelten.
»Ich war in der Kapelle, wie Ihr wisst, Meister.«
»Warst du, just als der Burgvogt vom Söller segelte. Was, um der Liebe Christi willen, tatest du eigentlich dort? Um das Heil deiner verderbten Seele beten?«
»Noch immer zu spät. Aber Puckl, Ihr wisst schon, der
Secretarius, der hat gestern Nacht erzählt, dass es in Burgen immer Geheimgänge gibt. Er war
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