Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Spiel des Saengers Historischer Roman

Titel: Das Spiel des Saengers Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
einen Topf ungewürzten Brei hergerichtet und einen Kräuterauszug bereitet, der die aufgeregten Gedärme ihres Vaters beruhigen würde. Beides hatte Engelin selbst zu der Kammer in den Bergfried getragen, da Puckl mal wieder unauffindbar war. Der Secretarius war ein höchst unternehmungslustiger Bursche, eben ein Jahr älter als sie und, wenngleich geschickt als Schreiberling, so doch auch unausrottbar von den Gelüsten nach ritterlichen Abenteuern getrieben. Vielleicht war das seine Methode, mit seiner körperlichen Unzulänglichkeit fertigzuwerden. Seit sie ihn kannte, schwelgte er in Heldenmären, die er aus den unterschiedlichsten Quellen saugte. Einige Folianten bargen Geschichten von edlen Rittern, die gegen Feinde und Ungeheuer kämpften, ihrem König und ihrer Dame jedoch treu bis in den Tod dienten, den Mächten der Finsternis trotzten und den heiligen Kelch fanden. Andere Erzählungen erlauschte er von den Sängern und Gauklern, den Fahrenden und Scharlatanen. Der Aufenthalt auf einer Burg wie dieser mochte ihm wie die Erfüllung seiner kühnsten Träume vorkommen, weshalb er sie vermutlich bis in den letzten staubigen Winkel erforschte.
    Sie war also zu den kargen Kammern hinaufgestiegen, die den Gästen zugewiesen worden waren, und hatte sich nach ihrem Vater umgeschaut. Seine Schlafstelle hatte sie gefunden, denn dort hing seine Heuke an einem Wandhaken. Er selbst war jedoch nicht anwesend. Sie stellte den Becher und die Schüssel auf die Truhe und rief nach ihm. Aber weder aus einem Nachbarraum noch vom Abtritt her bekam sie Antwort. Da aber auch sonst niemand auf ihre Rufe antwortete,
stieg sie die Leiter nach oben und steckte ihre neugierige Nase auch in die anderen Kammern. Dort fand sie ihren Vater in derjenigen, die offensichtlich dem Höfling Lucas gehörte, denn hier duftete es leicht nach Ambra und dessen aufwendig besticktes Wams war auf dem Lager ausgebreitet. Der Besitzer desselben war jedoch nicht anwesend.
    »Herr Vater, was macht Ihr denn hier?«
    Überrascht, jedoch nicht schuldbewusst, drehte sich Hinrich van Dyke um.
    »Mich umschauen.«
    Da Engelin nicht wagte, ihrem Vater den Vorwurf der Schnüffelei zu machen, lächelte sie ihn nur an und erklärte ihm: »Puckl ist wieder einmal verschwunden. Darum habe ich Euch Brei und ein Heilmittel gebracht, damit Ihr Euch besser fühlt.«
    Er nickte und folgte ihr wortlos in seine Kammer, um die Schüssel auszulöffeln und den Heiltrunk zu sich zu nehmen. Doch kaum hatte er den Becher geleert, als die Wachen in die Kammer gestampft kamen und sie nach unten führten. Erst wollte Engelin ihren Augen nicht trauen, als sie die Gestalt unten im Hof liegen gesehen hatte, aber als sie im Rittersaal auf Casta und den jungen Ismael traf, wurde das Entsetzliche zur Gewissheit.
    Die Frage, ob ihr cholerischer Vater trotz allem Bauchgrimmen auf dem Söller gewesen war, hatte auch ihren Magen sich in Schmerzen zusammenziehen lassen. Denn Puckl hatte ihm vor der Morgenandacht von ihrem Zusammenstoß mit dem Burgvogt erzählt. Sie hatte das eigentlich verhindern wollen, denn sie wusste, dass ihr Vater, wenn es sich um die Ehre seiner Tochter handelte, zu ausgesprochen heftigen Reaktionen neigte.
    Unter den Anwesenden, die sich nach und nach im Rittersaal einfanden, waren Dutzende von Fragen und Mutmaßungen aufgetaucht. Casta wirkte völlig aufgelöst und musste getröstet werden, dann waren alle zusammengekommen und von der Entscheidung des Ritters überrascht worden,
dass sie hier auf der Burg eingeschlossen bleiben würden, bis die Angelegenheit geklärt war. Ihren Vater hatte der Ritter sofort in sein Gemach gebeten und ihn vermutlich eindringlich befragt. Ob seine Antworten ihn überzeugt hatten … Sie konnte es nur hoffen. Er brauste schnell auf und polterte laut herum, aber zwischen Poltern und einen Mann vom Turm werfen war immerhin ein Unterschied. Und ganz freiwillig hätte sich der Vogt sicher nicht über die Zinnen kippen lassen. Es hätte schon ein wütender Kampf vorausgehen müssen, und danach hatte ihr Vater nicht ausgesehen, als sie ihn in der Kammer des Höflings vorgefunden hatte.
    Engelin liebte ihren Vater, nicht völlig und ausschließlich, aber er war ein guter Vater und der festen Überzeugung, dass die Entscheidungen, die er für ihre Zukunft fällte, zu ihrem Nutzen und Frommen seien. Er war ein erfolgreicher Handelsherr, der mit den italienischen Städten in regem Warenaustausch stand, die von dort eingeführten Produkte mit

Weitere Kostenlose Bücher