Das Spiel des Saengers Historischer Roman
mich so, dass der Vogt vor ihren Blicken einigermaßen verborgen blieb, aber dennoch sah ich beide erbleichen. Van Dyke nahm seine Tochter am Arm und zog sie in Richtung Küche, wo die Treppe im Wohnturm endete.
»Dietrich, hol mit den Mannen eine Bahre und bringt den Leichnam in seine Wohnung. Sein Weib und seine Tochter mögen ihn zurechtmachen. Hilf ihnen dabei.«
»Wo finde ich Frau Ida und Frau Jonata, Herr?«
»Keine Ahnung. Verdammter Mist, man muss es ihnen sagen. Ich suche sie.«
Der Ritter ging zum Wohnhaus des Vogts voran, ich sah mir den jungen Knappen an. Er mochte etwa so alt sein wie Ismael, und vielleicht hatte er seinen Herrn schon in einen Kampf, zumindest aber zum Turnier begleitet. Dennoch wirkte er ziemlich weiß um die Nase.
»Lass die Bahre holen. Ich helfe den Mannen, den Toten hineinzutragen.«
»Nein, Meister Hardo. Es ist meine Aufgabe.«
Er raffte sich zusammen und ging zum Quartier der Wachen. Loyalität war eine ritterliche Tugend.
Ich für meinen Teil erklomm den Bergfried, um mich oben auf dem Turm umzusehen. Das Rund war mit mannshohen Zinnen bestückt, ein leichtes Holzdach auf Stützen schützte die Wachen, die hier oben Ausschau halten mussten, vor Sonne und Regen. Derzeit war aber keiner der Mannen auf diesem Posten gewesen. Staub lag auf dem Boden, die Scherben eines zerbrochenen Bechers und ein paar trockene Blätter, vom Wind hinaufgewirbelt.
Nichts deutete dem ersten Anschein nach auf einen Kampf hin. Das musste aber nichts zu sagen haben. Es war nicht so schwer, einen Mann über die Brüstung zwischen den Zinnen zu kippen, wenn er sich beispielsweise darüberlehnte, um unten etwas zu erspähen.
Langsam ging ich wieder hinunter. Die Dinge hatten tatsächlich eine höchst unerwartete Wendung genommen - Schweifstern hin oder her.
Ritter Ulrich von der Arken hatte befohlen, dass sich alle im Rittersaal versammeln sollten. Eingefunden hatten sich die Mannen, die Gäste, die drei Mägde und die beiden Stalljungen, die auf der Burg lebten. Ida und ihre Tochter Jonata saßen eng zusammengerückt auf der Bank, neben ihr hielten sich Casta und Engelin umschlungen, die Äbtissin und die Novizin beteten leise, Loretta und ihr Jüngferchen tuschelten. Die Männer hingegen zeigten wenig Regung.
Der Ritter hatte ihnen erklärt, was vorgefallen war, und verkündete jetzt: »Wir wissen nicht, ob Sigmund von Överrich durch einen Unfall vom Bergfried gestürzt ist oder ob es ein vorsätzlicher Mord war. Bis dieser Umstand aufgeklärt ist, wird das Tor geschlossen bleiben. Wir sind eine überschaubare Gruppe, und wenn ein Mörder unter uns ist, dann werden wir ihn entlarven.«
Gemurmel erhob sich, nicht grundlegend freundlich, doch der Ritter fuhr unbeirrt fort. Meine Achtung vor ihm stieg. In schwierigen Situationen behielt er einen kühlen Kopf und war in der Lage, sehr klare Anweisungen zu geben. Mochte es auch Murren geben, man beugte sich seiner Autorität.
»Nicht auf dem Turm war das edle Fräulein Casta, denn sie stand neben mir, als der Vogt herabfiel, desgleichen Meister Hardo Lautenschläger, der ebenfalls bei mir stand, mein Knappe Dietrich, den ich selbst in die Ställe geschickt hatte und der Meister Hardos Pferd in Empfang genommen hat. Auch der junge Bursche Ismael, der in dem Augenblick, als
der Mann fiel, aus der Kapelle kam. Die Wachen waren auf ihren Posten, aber das werde ich selbst noch einmal überprüfen.« Er sah sich um und hatte dann eine eisige Kälte in der Stimme: »Alle anderen hier im Raum sollten bezeugen können, dass sie zu jenem Zeitpunkt nicht mit dem Toten zusammen waren.«
Sehr unwilliges Gemurmel erhob sich, aber der Ritter machte dem mit einer herrischen Handbewegung ein Ende.
»Die Beratungen über die Vergabe des Lehens werden verschoben, bis der gewaltsame Tod des Burgvogts Sigmund aufgeklärt ist. Des Weiteren - niemand verlässt die Burg, niemand kommt hinein. Darum werden wir, wenn wir etwas zu Essen haben wollen, für uns selbst zu sorgen haben.«
»Ich bestehe darauf, dass mein Diener eingelassen wird!«, rief der Höfling Lucas aus.
»Er bleibt draußen, Ihr werdet schon ohne Hilfe in Euer Wams kommen.«
»Ich werde ihm jedenfalls nicht dabei helfen«, flüsterte Ismael neben mir.
»Es wird ihm nicht schaden, seinen eitlen Balg selbst aufzuputzen.«
Ismael grinste.
Unser beider Gefühle dem edlen Herrn Lucas gegenüber waren haargenau die gleichen.
»Frau Ida, ich muss Euch bitten, trotz Eurer Trauer die Küche zu
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