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Das Spiel des Saengers Historischer Roman

Titel: Das Spiel des Saengers Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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von den Zinnen in das Wasser des Burggrabens springt.«
    So gingen sie also zur Torburg und kletterten dort die hölzerne Treppe nach oben.
    Engelin blieb gleich an der ersten Zinne stehen und betrachtete staunend das Land. Die weite Rheinschleife schimmerte im Sonnenlicht, und gemächlich zogen die Schiffe durch den weiten Bogen. Mitten im Fluss war die Fähre an ihrer Kette befestigt und schwang sich der Strömung folgend von einem Ufer zum anderen. Auf der anderen Seite säumten hohe Pappeln die Gestade, und über ihren Wipfeln erhob sich eine Kirchturmspitze.
    »Ich habe als Kind hier oft gestanden und von der großen Welt geträumt«, sagte Casta leise.
    Engelin zuckte zusammen.
    »Wie dumm ich bin, Casta. Ich habe mir bisher gar nicht vor Augen geführt, dass du ja hier geboren und aufgewachsen bist.«
    »Woher solltest du es wissen, Engelin? Als wir uns damals in Koblenz trafen, habe ich nicht von dieser Burg hier gesprochen - wir hatten andere Sorgen. Und als du mir im April die Botschaft sandtest, dass dein Vater hierhin eingeladen worden war, habe ich mich nur gefreut, dich wiederzusehen. Mir ist gar nicht in den Sinn gekommen, dir von meinem Anspruch zu berichten.«
    »Alles das ist jetzt ziemlich unwichtig geworden.«
    »Erst einmal ja. Aber ich hoffe, es wird sich bald eine Erklärung für dieses Unglück finden.«
    »Ich weiß nicht. Ich habe den Eindruck, niemand kümmert sich so recht darum.«
    »Nun ja, immerhin hat man zweien die Unschuld nachgewiesen.«
    »Wem nur, Casta?«
    »Herr Ulrich wird seine Gründe haben, warum er keine Namen nennt. Wer will schon öffentlich der Unkeuschheit geziehen werden?«

    »Was der aufgeputzten Loretta vermutlich zum Vorteil gereicht«, knurrte Engelin.
    »Es könnten auch andere gewesen sein. Ich mag niemandem etwas unterstellen.«
    »Nein, dazu bist du zu sanftmütig. Dann will ich mir dich zum Vorbild nehmen. Aber ich habe mich vorhin mit Ida unterhalten. Sie hat mir kein schönes Bild von dem Burgvogt gemalt. Sag, du musst dich doch an ihn erinnern können.«
    Casta stieß sich von der Mauer ab und machte einige Schritte auf den südlichen Wachturm zu. Engelin folgte ihr, und die Wachen ließen sie mit einer Verbeugung passieren. Erst als sie außer Hörweite der Mannen waren, hielt Casta inne und lehnte sich wieder an die brusthohe Zinne.
    »Ja, ich erinnere mich an ihn, aber nicht besonders gut. Soweit ich weiß, hat er sein Amt von seinem Vater geerbt, der es bereits unter dem alten Burgherrn innehatte. Das ist oft üblich.«
    »Und erklärt, warum Sigmund sich Söhne wünschte.«
    »Natürlich. Ich habe wenig mit ihm zu tun gehabt, Engelin. Er kümmerte sich nicht um uns Kinder. Das tat sein Weib jedoch gerne. Ida steckte uns oft gedarrte Früchte zu oder Honigmilch und verband unsere kleinen Wunden. Der Kaplan unterrichtete meinen Bruder Karl und Jonata und mich, denn mein Vater war oft mit seinem Lehnsherren unterwegs, und meine Mutter - nun, du hast sie ja kennengelernt. Sie ging schon immer gerne ihres Weges. Als mein Bruder acht und ich zwölf waren, wurden wir zu unseren Verwandten nach Koblenz geschickt, um dort unsere weitere Erziehung zu erhalten.«
    »Dort habt ihr in einem Patrizierhaushalt gelebt. Das wunderte mich schon damals. Sollte dein Bruder nicht zum Ritter erzogen werden?«
    Casta wedelte mit der Hand, um eine brummelnde Hummel zu verscheuchen, und seufzte dann leise.
    »Karl war immer ein kränkliches Kind, Engelin. Ich
glaube, mein Vater war recht unglücklich darüber. Dort drüben auf dem Lichhof liegen drei Knaben, die die ersten Wochen ihres Erdendaseins nicht überlebt haben. Ein Dienst als Knappe kam für Karl nicht in Frage, die Härten hätte er nicht überstanden. Darum begleitete er mich zu der Base meiner Mutter.«
    »Es ist ein vornehmes Haus, das sie führen.«
    Casta lachte leise.
    »O ja, und weit bequemer als eine Burg, nicht wahr? Ich fühlte mich wohl dort und lernte die Annehmlichkeiten bald schätzen. Mein Bruder war es auch zufrieden, aber er war immer ein stilles Kind und wurde dann auch zu einem stillen, in sich gekehrten Jüngling. Mich überraschte es nicht besonders, dass er sich schließlich für den geistlichen Stand entschied. Die schweigenden Kartäuser sind genau die Gemeinschaft, in die er gut hineinpasst.«
    Engelin beschattete ihre Augen mit der Hand und schaute über die Äcker, Weiden und Weingärten, die sich hier vor der Burgmauer ausbreiteten. Reiches, fruchtbares Land, das dem Herrn der Burg

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