Das Spiel des Saengers Historischer Roman
sollte lesen,
wollt’ ich mit ihr scherzen und so kosen,
als ob Freunde wir schon längst gewesen.
Würde mir ein Kuss zu einer Stunde
zuteil von diesem roten Munde,
wär’ von meinen Leiden ich genesen.« 10
Die Rosen fielen auf den Boden, und mit zornblitzenden Augen drehte Engelin sich zu mir um.
Umsichtig nahm ich ihr den Krug mit Wasser aus der Hand.
»Einmal waschen reicht am Tag, Jungfer Engelin. Sogar bei solch eitlen Gockeln wie mir«, verwies ich sie und zeigte ihr ein breites Grinsen.
»Stellt Ihr mir nach, Meister Hardo?«, zischte sie mich an.
»Aber nein, Herrin. Eher stellt doch Ihr mir nach, denn ich war vor Euch in dieser kühlen Kapelle.«
»Was habt Ihr wohl in einem Gotteshaus zu suchen? Hat man Euch Reuegebete aufgegeben?«
»Was sollte ich bereuen, schöne Herrin? Nein, ich suchte nach den Hostien.«
Es freute mich, dass sie zunächst Überraschung und erst dann Verachtung zeigte.
»Was wollt Ihr denn mit den Hostien.«
»Nun, ich dachte, ich könnte mir eine um die Kehle binden. Wie man sagt, übt der Leib Christi große Heilkraft aus. Und da Euch meine raue Stimme nicht behagt, hoffte ich, ich könnte sie damit wieder sanfter und schmeichelnder machen, sodass Euch mein Gesang und meine Dichtkunst besser gefallen.«
Einen winzigen Lidschlag lang leuchtete so etwas wie ein entfernter Schmerz in ihren Augen auf. Dann aber riss sie sich zusammen, musterte mich kühl von oben bis unten und sagte: »Bah. Nicht nur ein eitler Geck, auch noch ein abergläubischer Wicht. Reliquien, Talismane, Zaubersprüche und Hostien - und an welche Wunderwirksamkeiten glaubt Ihr denn sonst noch?«
»Gewiss nicht an den Zauber einer schönen Frau!«, ertönte die glatte Stimme des Höflings Lucas van Roide vom Eingang her. Er schwenkte seine faltenreiche Heuke und machte einen Kratzfuß vor Engelin. »Schenkt dem Spielmann nicht Eure Gunst, edle Jungfer, und schenkt ihm schon gar nicht diese Rosen. Seinesgleichen sind mit grobem Brot und Grutbier gut belohnt.«
»Die Rosen, Herr Lucas, sind eine Gabe an diese Heilige hier.«
Vergnügt stellte ich fest, dass die liebliche Engelin zu ihm sogar noch eisiger werden konnte als mir gegenüber. Ob ihr seine aufgeputzte Erscheinung nicht gefiel? Der Höfling hatte seine braunen Locken mit Schmalz geglättet, sie glänzten wie eine Speckschwarte, und er verströmte die schweren Düfte des halben Morgenlands. Vermutlich trug er eine Parfümkugel mit Ambra und Moschus unter seiner pelzgefütterten Kleidung.
Jedem das seine; ich zog den leichten Rosenduft vor, und deswegen bückte ich mich auch nach den Blumen, sammelte sie auf und reichte sie meiner liebreizenden Herrin.
»Auch grobes Brot und angebrannter Brei sind Köstlichkeiten, wenn sie von liebevoller Hand gereicht werden«, murmelte ich und machte ebenfalls eine anmutige Verbeugung. Sie entriss mir den Strauß, und die Blumen hinterließen einige blutige Dornenkratzer auf meinen Händen.
»Würden die wohledlen Herren mich nun alleine lassen? Ich möchte meine Gebete verrichten.«
»Um Geduld, Euer Lieblichkeit?«
»Um geradezu engelhafte Geduld, Meister Hardo!«
Ein brennender Augenblick
Der Blick in eine der silbernen Platten, die Ismael gerade auf der Truhe stapelte, damit Ida später den Braten für die Hohe Tafel darauflegen konnte, zeigte ihm, dass der dunkle Flaum in seinem Gesicht ihn weniger männlich als vielmehr schmuddelig aussehen ließ, und er beschloss, etwas für die Schönheitspflege zu tun. Nicht das heiße Bad: Das Wasserschleppen zum Kessel in der Küche war ihm zu aufwendig und zu langwierig - harte Männer kamen auch mit kaltem Wasser zurecht. Für die Mannen gab es einen Bottich im Zwinger, den er zu nutzen gedachte. Er suchte also Hardos Gemach auf, packte Leinentuch, Seife und Barbiermesser zusammen, um sich einer gründlichen Reinigung und einer Rasur zu unterziehen.
Als er unter den Durchgang vom Burghof zum Zwinger trat, sah er, dass auch Dietrich ebendiese Absicht hatte, denn er trug bereits zwei Wassereimer zu dem Verschlag neben der Schmiede, weil es hier gewöhnlich durch das Kaminfeuer immer etwas wärmer war. Nun, das war eine Gelegenheit, dem Knappen einen Freundschaftsdienst zu erweisen - nicht ohne bei passender Gelegenheit natürlich eine Gegenleistung einzufordern.
Vergnügt und unmelodisch vor sich hin summend schlenderte er ihm hinterher. Die Werkstätten waren verwaist, die Handwerker, die im Dorf wohnten, ausgesperrt. Weshalb Ismael sich wunderte, warum
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