Das Spiel des Saengers Historischer Roman
gesenktem Blick neben mir und schwieg ebenfalls, der Kaplan bedankte sich hingegen artig bei mir dafür, dass ich das Grab so ordentlich hergerichtet hatte, und lud mich ein, später in seiner Wohnung noch einen Becher Wein mit ihm zu trinken.
Aber davon würde ich weiten Abstand nehmen.
Immerhin mochte Loretta inzwischen zu dämmern beginnen, dass der würdige Magister Johannes nicht ihr williges Opfer sein würde, und sie versuchte, den missmutigen Lucas mit ihren aufgeputzten Reizen zu erfreuen. Das aber schien Cuntz nicht recht zu gefallen, und er mampfte griesgrämig die köstliche Lauchtorte auf.
Einzig Ida zeigte eine gelassene Laune und erzählte mir von Pattas Streichen in der Vorratskammer.
Die Platten wurden abgetragen, die Becher frisch gefüllt, Casta beendete ihr Harfenspiel, und ich gab Ismael den Wink, sich zu mir auf die Stufen zur Hohen Tafel zu setzen.
Die Äbtissin schnaufte erbost, aber Ulrich sagte leise etwas zu ihr, und sie gab Ruhe.
Mein Begleiter klemmte sich die Handtrommel unter den Arm, ich nahm den Schellenkranz. Er wusste, welches Lied ich singen würde, und seine flinken Finger huschten rhythmisch über das Fell. Ich setzte mit dem Schellenkranz ein, und als wir der Aufmerksamkeit gewiss waren, erhob ich meine Stimme.
»Wenn wir in der Schenke sitzen
und bei unserm Spiele schwitzen,
kümmert uns kein heut und morgen,
denn wir haben andre Sorgen.
Füglich, was allda man handelt,
wo sich Geld in Wein verwandelt,
das ist wichtig, ist die Frage,
drum passt auf, was ich euch sage.
Manche würfeln, manche saufen,
andre lärmen, schreien, raufen.
Derer, die ein Spiel begannen,
ziehet mancher nackt von dannen;
andre sich ein Wams gewinnen,
andre gehn im Sack von hinnen.
Keiner denkt der Todesstunde,
Bacchus gilt die Würfelrunde.« 13
Ja, man kannte es, das Tavernenlied. Ich sah Füße im Takt wippen, Finger auf den Tisch klopfen. Später würden sie es mitgrölen.
Aber nun wollte ich erzählen.
Der Raub der magischen Laute
Der junge Held hatte die magische Laute erbeutet, doch ihr Besitzer war ihm hart auf den Fersen. Immerhin war der Jüngling flink wie ein Hase und wendig wie ein Aal und schaffte es, in den verwinkelten Gassen seinem Verfolger zu entkommen. Bis zum Morgengrauen versteckte er sich in einem Ziegenstall und überdachte sein weiteres Vorgehen. Er konnte nicht bleiben, der Händler würde alle Welt auf ihn hetzen. Es galt also, so viel Abstand wie möglich zwischen sie beide zu bringen. Ein schnelles Ross wäre ihm das Liebste gewesen, doch in dem kleinen Dorf würde es, wenn überhaupt, nur schwerfällige Karren- und Treidelpferde geben.
Der Treidelpfad aber brachte ihn auf eine Idee. Am Ufer lag einer der großen Oberländer, und vor Tag und Tau schlich der diebische Bursche sich zu dem Schiff. Die Besatzung war an Land, die Wachen unaufmerksam; sie schliefen an einige Fässer gelehnt. Er band sich mit dem Lederriemen die kostbare Laute auf den Rücken und hangelte sich an den Tauen an Bord. Hier kroch auch er unter einige leere Säcke.
Das Glück war ihm hold: Das Schiff legte ab, als die Sonne aufging. Ruderknechte bewegten die schweren Riemen, und ganz selbstverständlich gesellte der junge Held sich zu ihnen und ergriff ebenfalls eine der Stangen. Niemand stellte bei der schweren Arbeit Fragen. Rheinaufwärts zu reisen war schweißtreibend und knochenzermürbend, musste er bald feststellen. Erst gegen Mittag wechselten sie die Rheinseite, und acht Gäule wurden an den Treidelmast gebunden. Die Ruderknechte setzten sich nieder und aßen, ihm aber knurrte der Magen. Es fragte ihn zwar niemand, woher er kam, aber es teilte auch keiner von ihnen das Brot mit ihm.
Bis zum Abend reiste der Jüngling auf dem Schiff, und als sie schließlich am Kai einer Ansiedlung festmachten,
griff er nach seiner Laute und machte sich, so schnell er konnte, davon. Er fand magenknurrend einen Unterschlupf in einem Heuschober, und am nächsten Morgen suchte er die kleine Stadt auf, die sich am Rheinufer entlangzog. Einige Marktstände hatten sich rund um die Kirche angesammelt, und sein Magenknurren wurde lauter, als ihm die Düfte von Brot, Pasteten, geräucherten Würsten und gebratenem Fisch in die Nase stiegen. Er war kurz davor, eine der drei Kupfermünzen in seinem Beutel für einige Wecken auszugeben, als seine Aufmerksamkeit von einem listigen Schauspiel geweckt wurde. Ein Bürschchen, kaum elf oder zwölf, stieß mit einem wohlbeleibten Mann zusammen. Hätte der
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